Junge Lö un platte Filmkes.. (Hochdütsch)

Filme als Medium um junge Menschen an Plattdeutsch heranzuführen“

von Stefan Demming

Lebendig Platt“ und „Platte Filmkes“ sind Projekttitel einer aktiven Medienarbeit zur „Wiederbelebung“ des Plattdeutschen im Westmünsterland.

Ziel ist es, die regionale Sprache mit Hilfe von kurzen Filmen als gesprochene Sprache ‚lebendig‘ zu erhalten. Zugeschnitten auf die „Generation Whatsapp“ können diese zunächst den Sprachklang weiter verbreiten. Erfahrungen aus der Praxis und grundlegende Überlegungen hierzu bestimmen die weitere Entwicklung des Projekts.

Generation Whatsapp“

Anders als in früheren Generationen sind Jugendliche heutzutage nicht nur ständig von bewegten Bildern umgeben, sondern sie können diese meist auch selbständig über Smartphones abrufen und an Freunde weiterleiten. Das mittlerweile problemlose Abspielen von Videos im Internet in einer akzeptabelen Bildqualität und die gleichzeitige Möglichkeit, selbst gemachte Aufnahmen zu verschicken machen das Medium Video zu einem wichtigen Kommunikationsmittel. Jede/r mit einem Smartphone kann mittlerweile nicht nur Empfänger sondern auch Sendern medialer Produkte und Botschaften sein.

Wenngleich fast alle Nutzer zwischen professionellen und amateurhaften Aufnahmen zu unterscheiden vermögen, muss das ‚Selbstgemachte‘ nicht gleich weniger attraktiv sein. Das (scheinbar) Private äussert sich in einem subjektivem Stil und findet oft sogar mehr Akzeptanz, da es meistens authentischer erscheint. Das eröffnet interessante Möglichkeiten hinsichtlich des Heranführens von jungen Menschen an das Plattdeutsche. Natürlich soll auch diese Traditionssprache „verkauft“ – also an die Jugend gebracht werden! Da die Themen dabei jedoch frei wählbar sind, kommen diese im besten Fall von Jugendlichen selbst. Ein Ansatz in der Produktion „platter Filmkes“ ist es daher, Jugendliche bereits bei der Stoffentwicklung eines Films miteinzubeziehen oder ihnen anzubieten, ihre Steckenpferde filmisch umzusetzen.

Die Zusammenarbeit mit Jugendlichen stand daher auch am Anfang der Produktion „Plattfilm“. Im Rahmen eines Kunstprojekts mit Unterstützung durch das NRW-Programm Kultur&Schule wurden mit einer kleinen Gruppe von Förderschülern eine Reihe kurzer dokumentarischer wie auch fiktiv-experimenteller Videos in einem Schulhalbjahr produziert.

Filme mit Jugendlichen für Jugendliche

Zu Beginn wurden Platt sprechende Lehrer und Angestellte der Schule an ihren Arbeitsplätzen auf Platt interviewt. Eine einzige Schülerin der Gruppe hatte genügend Vorkenntnisse, um Fragen auf Platt zu stellen. Da sie damit aber schnell ins Stocken geriet, mussten wir in der Gruppe gemeinsam nach Lösungen suchen. Die Einbindung der Jugendlichen als Aufnahmeteam nach vorheriger technischer Einweisung schaffte ein nötiges Mindestmass an Konzentration und ermöglichte zielgerichteten da ans Projekt gebundenen Sprachunterricht. Die selbstgemachten Aufnahmen bieten zudem die Möglichkeit, das Gesprochene erneut zu betrachten und zu hören. Die Sätze auf Plattdeutsch können so erklärt und verstanden werden. Gerade im Videoschnitt liegt eine besondere Herausforderung des Umgangs und der Auswahl von Sprache, da hier vor allem bei dokumentarischen Vorgehensweisen oft erst der eigentliche Film entsteht.

Dann ging es darum, dass die Jugendlichen selbst vor der Kamera Platt sprechen. Die spielerische Entwicklung kurzer Filmsequenzen und der lustvoll-poetischen Umgang mit der Sprache standen im Mittelpunkt, denn es handelt sich für die Jugendlichen um eine Fremdsprache.

Ein Kostümfundus diente den Schülern und Schülerinnen als Inspiration: einer von ihnen hatte eine Batman-maske samt Umhang angezogen und ein Mädchen steckte in einem Bärenkostüm. Eine grobe Geschichte war schnell erfunden und die Dreharbeiten konnten beginnen. Dafür wurden nacheinander für jede Szene Ablauf und Dialoge besprochen. Die Jugendlichen mussten ihre Sätze mehrmals laut wiederholen und sie sich bis zur Aufnahme merken. Die Fragmentierung von Zeit im filmischen Produktionsprozess ermöglich hierbei m.E. eine ideale Lernstruktur. Denn das, was später als fortlaufende Handlung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird, muss zuvor in einzelnen Teilen hergestellt werden. Konkret: jeder Satz kann eine neue Kameraeinstellung erfordern. Dadurch können die Darsteller die Sprache in kleineren Einheiten unterteilen und somit besser behalten und aufführen.

Gespannt haben die SchülerInnen jedesmal das Ergebnis ihrer Anstrengungen betrachtet, das aus dem Inszenierten und zum Teil auch aus spontanen Aufnahmen heraus entstanden ist. Neben einer Batman-Reihe sind gespielte Witze mit teils absurden Pointen entstanden.

Alle „Filmchen“ wurden synchron mit deutschen und plattdeutschen Untertiteln versehen, um auch beim Betrachten und Hören einen Lernprozess zu unterstützen. Da die Videos eine Geschichte in Bildern und Tönen erzählen, folgen die Jugendlichen dem Geschehen, auch wenn sie einige Wörter nicht gleich verstehen. Da sie ihre eigenen kurzen Filme auf dem Smartphone erhalten, können sie sie mit Freunden und der Familie teilen und durch wiederholtes Betrachten auch Verständnisproblemen nachgehen.

Der Anfang entwickelt sich als ästhetisch-experimentelles Lernlabor für Sprache und Bewegtbild. Dabei geht es weder um kommerzielle Verwertbarkeit, noch um repräsentative Ergebnisse. Im Sinne der eingangs erwähnten Vorzüge des Authentischen wird versucht, den Eigenarten der Jugendlichen Raum zu geben. Die Serie der so entstandenen Kurzproduktionen soll demnächst weitergeführt und durch weitere filmische Stilmittel ergänzt werden.

Neben diesem bereits durchgeführten Projekt mit Schülern startet demnächst das Projekt „Lebendig Platt“, in dem in Kooperation mit Heimatvereinen und Einzelpersonen zehn kurze Filme auf Platt produziert werden. Mit ähnlichem Ziel sollen auch diese Menschen in der Region für das Platt begeistern. Die Filme von je 5 bis 15 Minuten in verdichteter (montierter) Form werden zudem an öffentlichen Orten in temporären Ausstellungen wie auch im Internet präsentiert.

Die Palette der dabei möglichen Inhalte ist gleichwohl um einiges grösser, wenn mit Muttersprachlern gearbeitet werden kann. Es wird wiederrum sowohl dokumentarische wie auch fiktive Geschichten geben.

von : Stefan Demming (*1973 im Westmünsterland)

ist Sandplatt-Muttersprachler und seit 2007 freischaffender Medienkünstler. Zudem unterrichtet er Kunst, Geschichte und Deutsch für Geflüchtete. Mit „Plattfilm“ produzierte er „Platte Filmkes“, von denen einige online zu finden sind.