Zur Einführung

Elisabeth Piirainen

1.Das Bearbeitungsgebiet des Wörterbuches der westmünsterländischen Mundart

 

1.1. Abgrenzung des Bearbeitungsgebietes

Das Bearbeitungsgebiet für das Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart liegt in der heutigen Verwaltungseinheit Kreis Borken, dem westlichsten Kreis im Regierungsbezirk Münster (Westfalen), im Grenzgebiet zu den Niederlanden.

Das „Westmünsterländische” – als Bezeichnung der regionalen Mundart(en) – bildet zusammen mit dem Münsterländischen (auch Kern- oder Innermünsterländisch genannt), dem Ostwestfälischen und dem Südwestfälischen den großräumigen Dialektverband „Westfälisch”. Das Westmünsterländische weist neben den drei anderen westfälischen Mundartregionen nicht nur die geringste räumliche Ausdehnung, sondern – im Vergleich zu den übrigen stark zerklüfteten westfälischen Mundarten – auch am ehesten einen einheitlichen Charakter auf.

Das Westmünsterländische ist dialektologisch gründlich und umfassend erforscht worden. Auf die grundlegenden Arbeiten sowohl zur Abgrenzung des Westmünsterländischen nach außen, zur Einordnung in größere dialektgeographische Zusammenhänge, zu seiner Binnengliederung als auch zum wortgeographischen Aufbau sei hier verwiesen.1

Im Westen und Nordwesten wird das Westmünsterländische durch die diagonal von Südwesten nach Nordosten verlaufende Staatsgrenze zu den Niederlanden abgeschlossen – eine Grenze, die bis zum Zweiten Weltkrieg als Dialektscheide von untergeordneter Bedeutung war und erst in jüngster Zeit eine stärker trennende Funktion eingenommen hat. Demgegenüber sind es im Nordosten, Osten und Süden zum Teil recht markante Dialektgrenzen, die das Westmünsterländische von den angrenzenden Mundarten abheben; sie sind auf naturräumliche Gegebenheiten (Moor- und Ödlandgürtel) einerseits und auf historische Faktoren (Zugehörigkeit zu unterschiedlichen territorialen Herrschaftsbereichen) andererseits zurückzuführen.

Am stärksten fällt eine in nord-südlicher Richtung verlaufende Dialektgrenze ins Gewicht, die das Westmünsterländische vom Innermünsterländischen trennt: Mit einem Bündel von Isoglossen (bis zu 56 Merkmalen zwischen zwei Gemeinden) folgt sie nur zu einem Teil der Borkener Kreisgrenze (auf der Höhe von Gescher und Tungerloh), trennt jedoch die Gemeinde Reken im Süden sowie Legden, Heek, Nienborg, Epe und die Stadt Gronau im Norden deutlich ab.2 Den älteren Mundartsprechern ist diese Abgrenzung der beiden Dialekträume bewußt und bekannt; sie wird – nach der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit jener Räume – Sandboden im West-, Kleiboden im Kernmünsterland – auch als Grenze zwischen „Sandplatt” und „Kleiplatt” bezeichnet.

Zu den wichtigsten Merkmalen dieser Grenze gehören strukturelle Unterschiede im Vokalismus, die das an Diphthongen reiche Münsterländische von dem an Diphthongen armen Westmünsterländischen abheben: Zum einen ist es die „westfälische Brechung”, die unterschiedliche Entwicklung der and. Kurzvokale in offener Silbe (Bääke : Biäke; Voggel : Vuogel), zum anderen ein differenzierter Entfaltungsprozeß der alten Langvokale ē und ō sowie dessen Umlaut ö (deep : daip; Kleed : Kläid; Boom : Baum; Foot : Fout; Bööme : Baime usw.). Obwohl lexikalische Isoglossen nur in den wenigsten Fällen mit Lautgrenzen zusammenfallen, sind auch für die Sand-Klei-Scheide einige Wörter anzuführen (z.B. leege : siege ‘niedrig’; Klump(en) : Holsken ‘Holzschuh’; Maiken/Deerne : Wicht ‘Mädchen’ u.a.).

Die südliche Begrenzung des Westmünsterländichen fällt aus dialektgeographischer Sicht eher als die östliche mit der Kreisgrenze zusammen: Im Süden ist es ein schmaler, im Südwesten ein breiterer Saum (markiert durch ein lockeres Bündel von lautlichen und grammatischen Isoglossen), der als Übergangszone zu den angrenzenden niederfränkischen Mundarten des Niederrhein-Raumes angesehen wird.3 Die Mundarten des Raums Isselburg-Anholt westlich von Bocholt wiederum werden gänzlich dem Niederfränkischen zugerechnet.4

Der geographische Raum, dessen mundartliche Lexik im Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart dokumentiert wird, ist aufgrund der genannten dialektgeographischen Gegebenheiten nicht mit dem Kreis Borken, aber auch nicht mit dem oben beschriebenen westmünsterländischen Geltungsbereich gleichzusetzen. Ausgeklammert wurden jene Teile, die sich nicht in die sonst recht einheitliche Dialektlandschaft des Westmünsterländischen einfügen: Vor allem sind es die Gebiete um Alstätte und Graes im Norden sowie das bereits genannte Gebiet um Reken im Süden, die von den Mundartsprechern auch als Sprachinseln bezeichnet werden, da ihre Mundarten besonders im Vokalismus große Unterschiede zum übrigen Bearbeitungsgebiet aufweisen. Aus lexikologischer und lexikographischer Sicht fällt die Ausgrenzung jener Mundarträume nicht ins Gewicht, da der Wortbestand hier im wesentlichen der gleiche ist. Die Mitberücksichtigung von Belegmaterial aus jenen Gebieten hätte jedoch die Anzahl der lautlichen Varianten und damit den Umfang des Wörterbuches unnötig vergrößert. Auch das Stadtgebiet von Ahaus mit seiner Mundartmischung bleibt außerhalb des Bearbeitungsgebietes. Das gleiche gilt für den Raum westlich von Bocholt, besonders für das Stadtgebiet von Isselburg und für die ehemals selbständige Gemeinde Suderwick, deren Mundarten sich nur teilweise ins Westmünsterländische einfügen.

Die Grenze des Bearbeitungsgebietes verläuft somit folgendermaßen (vgl. die Karte auf S. 16): Im Westen entspricht sie der niederländischen Staatsgrenze von den Bauerschaften Bocholt-Spork bis Vreden-Lünten, von dort führt sie in östlicher Richtung in einem Bogen um Ahaus (Wessum und Wüllen einschließend) zur Grenze der Gemeinde Legden. Im Osten folgt die Begrenzung des Gebietes zunächst der westlichen Gemeindegrenze von Legden, dann bei Gescher der Kreisgrenze und schließlich der Grenze zwischen den Gemeinden Velen bzw. Heiden und Reken. Im Süden fällt die Grenze mit der Kreisgrenze zusammen, während sie im Westen – Werth und Suderwick ausschließend – wieder zur niederländischen Grenze führt. Das Gebiet innerhalb dieser Begrenzung – in einer Ausdehnung von 40 km in nord-südlicher und durchschnittlich 24 km in ost-westlicher Richtung – stellt sich dem Dialektforscher als recht einheitliches Gebilde dar.

In mehrfacher Hinsicht sind die Voraussetzungen für die Erstellung eines regionalen Wörterbuches – innerhalb des westfälischen oder gar des gesamten niederdeutschen Raumes – im Westmünsterland besonders günstig. Einerseits ist in der vorwiegend argrarisch geprägten Region der Anteil an Mundartsprechern mit aktiver Dialektkompetenz höher als in anderen Gegenden Westfalens oder Niederdeutschlands, wie Umfragen in jüngerer Zeit ergeben haben.5 Hier war es noch möglich, genügend Gewährsleute zu finden, die den mundartlichen Wortschatz der früheren ländlichen Lebens- und Wirtschaftsformen, des ortstypischen Handwerks usw. aktiv beherrschen (vgl. dazu 4.1.). Zum anderen stellt sich das Westmünsterländische aufgrund seiner Reliktlage, auch im Unterschied zum Innermünsterländischen, gerade im Bereich der Lexik als der konservativste, alte Zustände am stärksten bewahrende Teil Westfalens dar.6

Darüber hinaus darf das Westmünsterländische als Schnittstelle weiterer Dialekträume gelten: So weist es dialektgeographische Zusammenhänge sowohl mit dem sich nördlich anschließenden Emsländischen bis ins Ostfriesische hinein als auch mit den westlich jenseits der Staatsgrenze angrenzenden ostniederländischen Mundarten (der Landschaften Achterhoek und Twente) auf, mit denen es jahrhundertelang in engem sprachlichem Kontakt stand, während die südliche und südwestliche Übergangszone zu den niederrheinischen Mundarten als Einfallstor für Neuerungen entlang der „Rheinschiene” hervortritt.

 

1.2. Binnengliederung

Trotz des recht einheitlichen Charakters des Westmünsterländischen finden sich einige Unterschiede zwischen den Ortsmundarten, die zwar aus lexikologischer Sicht unbedeutend und nicht strukturell bedingt sind, hier jedoch in den wesentlichen Zügen angeführt werden sollen, da sie in den Mundartzitaten der Wörterbuchartikel vorkommen und in einigen Fällen beim Stichwortansatz zu berücksichtigen waren.

Die folgenden Beobachtungen – zum Teil sind es geringfügige lautliche Varianten, die sich kaum mit den Buchstaben des deutschen Alphabets wiedergeben lassen –, beruhen auf den Befragungen und Aussagen der Gewährsleute. Werden sie den Belegorten (vgl. 3.3.2.) zugeordnet, so gelangt man zu einer sehr kleinräumigen „Binnengliederung”.

 

a. Der südwestliche und der südöstliche Raum (Rae, Rh, Bo und Bor, Hei)

Für den Raum um Raesfeld, Rhede und Bocholt, für Marbeck und zum Teil für Borken ist eine Besonderheit des Vokalismus belegt: eine Kürzung der langen Vokale ī, ū, ǖ, und zwar vor den stimmlosen Verschlußlauten p, t, k und Reibelauten s, ch, f. Die Vokalqualität bleibt dabei erhalten; es sind hohe gespannte Vokale, vergleichbar mit den niederländischen, z.B. in nl. iets, goed, nu. Die für das Wörterbuch erarbeitete Schreibung (vgl. 2.1.) kann diese Halblänge des Vokals nicht wiedergeben: eine Schreibweise bitten statt bieten, Ruppe statt Ruupe, Krüss statt Krüüs gibt zwar die Vokalkürze an, verändert jedoch die Vokalqualität zu einem offeneren Laut (wie in Hilde, rullen, Mügge). Als weitere Beispiele für Vokalkürzung vor stimmlosen Konsonanten, die in der Verschriftung nicht zum Ausdruck gebracht werden kann, seien genannt: griepen, schmieten, kieken, Ies, bliewt; kruupen, buuten, Luuke; Büüke, Tüüg, Müüsken, Düüwken.

Kennzeichnend für diesen südwestlichen Raum, zum Teil bis Weseke reichend, ist auch die Hebung der Langvokale ē, ō, ö (sprachgeschichtlich unterschiedlicher Herkunft) vor r zu ī, ū, ǖ (Aor zu Uhr, eerst zu ierst, töörn zu tüürn), ebenso bei Wörtern romanischer Herkunft: Pastóór zu Pastúúr, probéérn zu probíérn. Die Verbformen mit –íérn werden im Wörterbuch nicht gesondert als Varianten angeführt.

Zu den mundartlichen Besonderheiten der Region Rhede-Bocholt, zum Teil bis Borken-Heiden reichend, gehört ferner das Festhalten an e vor r (gegenüber a im übrigen Gebiet): Kerke statt Karke, Erfte statt Arfte usw.

Für den südlichen Raum, teils bis in den mittleren Raum hinein, wurde eine Rundung von e zu ö vermeldet, z.B. Rölle (statt Relle) für Bor, Hei, Rae, Töcke (statt Tecke) für St, Sü, Rae, Rh, Bo oder schwömmen (statt schwemmen) für Ra, Bor, Hei, Rae, Rh, Bo.

Ein weiteres Kennzeichen des südwestlichen Mundartraumes (um Bocholt) ist die Bewahrung von r vor t nach Kurzvokal (es wird zumeist deutlich als r artikuliert). Im übrigen Gebiet wurde r assimiliert: kort statt kott, schwart statt schwatt usw.

In einem größeren südlichen Gebiet wurde in- und auslautendes sk zugunsten von ss aufgegeben: Diss statt Disk, Flässe statt Fläske, Grossen statt Grosken im Raum um Rae, Rh, Bo.

Bemerkenswert sind ferner zwei morphologische Erscheinungen in Wörtern dieser Gegend (besonders um Rhede und Bocholt): der Ausfall des -n am Ende der (trotzdem maskulinen) Substantive, z.B. Bogge statt Boggen, Staake statt Staaken und die Präteritumsformen der 3. Pers. Sg./Pl., die bei den schwachen Verben mit dem Infinitiv zusammenfallen: he drücken, se lachen (‘er drückte’, ‘sie lachten’) usw.

Die lexikalischen Besonderheiten der südlichen Region sind vielfacher Art; nicht nur durch eine Reihe von Wörtern (Tuffel, Pugge, neet) und Wortformen (Liere, Dörpel, derde, he dörf), sondern auch durch einige „Kleinwörter” (Präpositionen, Personalpronomina), die eine Diphthongierung aufweisen (bij, ij, wij, dou, ou), hebt sie sich von dem übrigen Bearbeitungsgebiet ab.

b. Der mittlere Raum (St, Sü, Ge, We, Ra)

Zwei verschiedene Formen von Diphthongierung kennzeichnen die Mundart von Stadtlohn und Südlohn, weniger ausgeprägt auch die von Weseke und Gescher als Randzonen. Zum einen ist es die Diphthongierung vor ns, einhergehend mit der Nasalierung des Diphthongs bis hin zum Schwund des n. In der Schreibweise des Wörterbuches wird diese Erscheinung durch ai(n)ß, äi(n)ß wiedergegeben, z.B. dain(n)ßen statt daa(n)ßen, danzen oder Bäi(n)ßel statt Bää(n)ßel des übrigen Gebietes.

Die zweite lautliche Erscheinung betrifft langes ē, āō, ō, ö (unterschiedlicher sprachgeschichtlicher Herkunft), das vor rn und rt als Kürzendiphthong realisiert wird. Die Schreibweise des Wörterbuches behilft sich mit der Notation wie z.B. bei kiärn, Puorte, fuorn, tüörn (statt kehrn, Paorte, foorn, töörn). Diese Kürzendiphthongierung ist im Raum um Stadtlohn und Südlohn am stärksten ausgeprägt, reicht zum Teil bis nördlich von Borken, gilt jedoch nicht für die Stadt Borken.

Für den östlichen Teil des mittleren Raumes (Ge, Ra) gelten einige geringfügigere Unterschiede der Lautung: Die Kurzvokale e, o, ö werden offener artikuliert als im übrigen Gebiet (dies kann in der Schrift nicht markiert werden).

Im Gebiet um Gescher, Weseke, Ramsdorf (teilweise auch bis Raesfeld, Rhede, Bocholt reichend) wird äi, besonders im Hiat, als ai realisiert, z.B. maien statt mäien.

Im Raum um Gescher ist ferner die Schwächung von p, t nach Kurzvokal (Kröbbel, Kedde, vgl. 2.2.h.) stärker ausgeprägt als im übrigen Westmünsterland. Ebenso ist r in den Endsilben -ern, -ert stärker abgeschwächt, so daß sie etwa wie -an, -att (stöttkan, Rafóttkatt) lauten; diese Formen werden im Wörterbuch nicht als eigene Varianten angeführt.

Für die Mundart von Gescher, besonders der älteren Generation, ist schließlich der ältere Zustand der Anlautgruppen sl-, sm-, sp- usw. zu vermerken, die noch nicht ganz die Stufe schl-, schm- usw. wie in den übrigen Gebieten erreicht haben.

c. Der nördliche Raum (Wes, Ot, Vr)

In einem schmalen Streifen im Norden des Bearbeitungsgebietes (von den westlichen Vredener Bauerschaften Wennewick und Zwillbrock ohne die Stadt Vreden und die übrigen Vredener Bauerschaften bis nach Wessum, zum Teil auch Ottenstein) findet sich die gleiche Kürzung der Langvokale ī, ū, ǖ vor stimmlosen Verschluß- und Reibelauten, die für den südlichen Raum vermerkt wurde. Der Nordosten, besonders Wessum, geht auch beim Festhalten an e vor r mit dem Süden überein: Erfte, ärgern statt Arfte, argern.

Im nordwestlichen Bearbeitungsgebiet (besonders in Wennewick) fällt die sehr offene Realisierung von kurzem e vor ch(t) auf, wobei der postdorsale Reibelaut wie nach a als ach-Laut artikuliert werden kann (z.B. echt wie nl. echt). Für den östlichen Norden ist ferner die fehlende Dehnung des alten Kurzvokals e vor -ten zu verzeichnen: etten statt ääten gilt in Wessum und Ottenstein. Vor -ken reicht diese Erscheinung weiter in den Süden hinein: brecken statt brääken wurde für Wessum, Ottenstein, Borken und Heiden gemeldet. Wessum tritt schließlich durch die Verbform he kööm ‘er kam’ (sonst k(w)amm, k(w)eem) hervor.

 

2.Schreibung und Lautung der westmünsterländischen Mundart

 

Das Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart ist nicht allein für philologisch geschulte Wissenschaftler, sondern gerade für die Liebhaber und Sprecher der Mundart gedacht. Aus Rücksicht auf diese letztere Benutzergruppe lautete der Grundsatz bei der Festlegung der Schreibweise, das Westmünsterländische „lesbar”, und zwar ohne Sonderzeichen, so einfach wie möglich, zu schreiben. Dabei möchte man sich die bereits erworbenen Lesegewohnheiten zunutze machen, die sich auf das Lesen hochdeutscher Texte erstrecken (eine dem Leseunterricht vergleichbare Schulung im Lesen „plattdeutscher” Texte gab es früher nicht). Daher richtet sich die Schreibweise im westmünsterländischen Wörterbuch – so weit wie möglich – nach dem bekannten hochdeutschen Schriftbild.7 Es liegt die Beobachtung zugrunde, daß auch kompetente Dialektsprecher Wörter z.B. in der Schreibweise koofee oder feerkantiiser, vintviiser, fachliiken nicht als Bestandteile ihres mundartlichen Wortschatzes erkennen können (statt Kohveh, Veerkant-ieser, Windwieser, verglieken). So wird, obwohl die nhd. Orthographie nicht immer konsequent ist, die Schreibung des Westmünsterländischen an der des Hochdeutschen ausgerichtet, um jede unnötige Verfremdung zu vermeiden.

 

2.1. Vokalismus8

a. Kurzvokale

Alle kurzen Vokale in Tonsilben sind in der schriftlichen Wiedergabe dadurch gekennzeichnet, daß zwei Konsonanten darauf folgen,9 z.B.

Kaff, lang; Dänne, länger; nemmen, eng; will, Kind; Hoff, Holt; Bönne, hölten; krumm, Hund; Mügge, Mündken.

Die Schreibung ä bzw. e kennzeichnet keinen Unterschied der Lautqualität, sondern lehnt sich um der leichteren Lesbarkeit willen an das hd. Schriftbild an:10 mit a oder ä im Hd.: Dänne ‘Tanne’, länger, häbben ‘haben’, säggen ‘sagen’, tällen ‘zählen’ usw.; mit e oder i im Hd.: eng, nemmen ‘nehmen’, Hemmel ‘Himmel’, Gewwel ‘Giebel’.

Der „Murmelvokal” in Vor- und Nachsilben (z.B. be-, ge-, -el, -en, ver-, -ert) wird wie im Hd. mit e geschrieben. Vgl. auch 2.2.e.

Die Aussprache der westmünsterländischen Kurzvokale ist der der hochdeutschen recht ähnlich. Im östlichen Bearbeitungsgebiet werden jedoch e, o, ö offener realisiert als im Hd. (vgl. 1.2.b.).

b. Langvokale

Zur Kennzeichnung eines langen Vokals wird in der Schrift ein „Dehnungs-h” verwendet, wenn dem westmünsterländischen Wort ein hochdeutsches Wort mit h entspricht; in den anderen Fällen wird der Vokal verdoppelt.

Beispiele: Bahne, maaken; Mähl, ääten; Lehm, Been; Hohn, Boom; Höhner, Bööme; Uhr, Huus; Ührken, Hüüsken.11 Langes i wird, ebenfalls in Anlehnung an den hd. Schreibgebrauch, stets mit ie wiedergegeben, z.B. bliewen, Ies. Einen offen langen o- bzw. ö-Laut kennt das Hochdeutsche nicht. Dieser Laut wird im Westmünsterländsichen mit ao bzw. äö geschrieben; ein „Dehnungs-h” ist hier nicht erforderlich, z.B. laoten, Aos; täödeln, Äösken.

Die Aussprache der westmünsterländischen Langvokale gleicht ebenfalls, abgesehen von offenem o und ö, der der hd. Langvokale. Vgl. auch 1.2.a. und b.

c. Diphthonge

Die häufigsten und im gesamten westmünsterländischen Dialektraum vorkommenden Diphthonge werden durch die Schriftzeichen äi, ij, öi und ou wiedergegeben, z.B. in den Wörtern und Suffixen kläin, Wäide, Daorhäid, Söönigkäit; blij, Abdíj, Aaperíj; Höi, Töite, blöien; Tou, bouen, benout.

Darüber hinaus begegnen in einigen Wörtern die Diphthonge ai, au und ui, z.B. in Maiken, Saiden; blau, genau; fui, Lui. Vgl. auch 1.2.b. und 2.3.

Die westmünsterländischen Diphthonge äi, öi, ij, ou sind dem Hd. fremd. äi und öi haben einen offenen ersten Bestandteil; ij und ou sind enge Diphthonge. Zur Aussprache vgl. die phonetischen Zeichen in der untenstehenden Tabelle.

d. „Kleinwörter”

Ausgenommen von den bisher genannten Regeln sind kleine einsilbige Wörter sowie Vor- und Nachsilben. Sie werden ebenfalls möglichst der hd. Schreibform angeglichen. Daher wird auch bei einem kurzen Vokal der folgende Konsonant nicht verdoppelt (met statt mett, an statt ann). Wörter dieser Gruppe sind af, as, äs, bes, dat, den 12, em, en, ik, in, man, män, mon, of, sik, üm, un, up, van, wat oder die Formen von „sein” und „haben” bün, büs, häs, hat, is, was sowie die Suffixe -dum, -ig, -lik, -schup und die Präfixe er-, har- und ver-. In den „Kleinwörtern” mit offener Silbe wird der Langvokal nicht extra gekennzeichnet: bi, de13, du, he, mi, so, to, wi, wo. In geschlossener Silbe wird der Vokal auch in den „Kleinwörtern” verdoppelt: föör, ook, uut, vöör.

 

2.2. Konsonantismus

a. v oder f

Auch beim Konsonantismus ist das hochdeutsche Schriftbild nach Möglichkeit maßgebend. So wird der f-Laut entsprechend dem Hd. mit v oder f geschrieben: Vaader, Veh, ver-, vöör (‘vor’), ebenso in Fremdwörtern: Advekáót, Vióóle (jeweils mit der Aussprache f), neben fast, Fett, Foss (‘Fuchs’), Frää (‘Frieden’), föör (‘für’).

b. x, qu, z

In gleicher Weise wird die Schreibung der Konsonantengruppe ks an die des Hd. angelehnt: Buxe, Hexe, nix neben Häcksel, Lucks (‘Luchs’). Für die Lautgruppe kw wird wie im Hd. qu geschrieben: Qualm, Quecke, quiet. Ausnahme: die Präteritumsformen von kommen werden kwamm, kweem geschrieben, um sie nicht unnötig zu verfremden.

Die Anlehnungsmöglichkeit an ein hd. Wort fehlt oft bei westmünsterländischen Wörtern mit der Lautgruppe ts. Sie können mit ts, tz oder z geschrieben werden, z.B. rats(k)en, striebítzen, Fiezebohne.

c. g, gg, ch

In Teilgebieten der westmünsterländischen Mundart findet sich anlautend prävokalisch der alte postdorsale Reibelaut, z.B. in den Wörtern Gatt, geht, Gotte. Dieser Spirant wird zum Teil noch stimmhaft, in den meisten Fällen jedoch stimmlos (wie der ach-Laut) artikuliert. Vor Konsonanten (glööwen, groot) begegnet nur der stimmlose Reibelaut. Die jüngeren Mundartsprecher geben diesen Spiranten z.T. auf zugunsten des Verschlußlautes g. Die Schreibung des Wörterbuches kann diese Artikulationsunterschiede nicht festhalten, es wird einheitlich g geschrieben.

Im Westmünsterländischen begegnen, wie im Hd., die positionsgebundenen Allophone des Reibelautes ch, d.h. des ich- bzw. ach-Lautes. Auch hier wird die Schreibweise an die des Hd. angelehnt. Nach Kurzvokal wird ch geschrieben, wenn die hd. Entsprechung ein ch aufweist. Beim ich-Laut (nach e (ä), i, ö, ü): echt, nich (‘nicht’), löchten, nüchtern; beim ach-Laut (nach a, o, u): acht, noch, Tucht. Mit gg wird der ich– bzw. ach-Laut geschrieben, wenn das entsprechende hd. Wort ein g enthält: Wegg (‘Weg’), he sägg(t) (‘er sagt’), he ligg(t) (‘er liegt’) sowie Dagg (‘Tag’), he magg (‘er mag’), Zugg (‘Zug’). Die Schreibung -g im Auslaut kennzeichnet stets den Spiranten, sowohl beim ich-Laut (Deeg, Suffix –ig, Tüüg) als auch beim ach-Laut (Blaag, Toog). Die Schreibung gg zwischen Vokalen markiert ausschließlich den Verschlußlaut g: Plagge, liggen, möggen, ebenso die Schreibung –g– nach Langvokal: Maagen, Riege, hööger, hooge.

d. s, ss, ß, sk, sch

In der westmünsterländischen Mundart gibt es einige Wörter, die mit einem stimmlosen s anlauten (sie entsprechen oft einem z im Hochdeutschen); sie werden mit ss geschrieben: Ssegge, Ssiepel, Ssossen, Ssucker (sseggen im Anlaut also deutlich getrennt von säggen). Inlautendes stimmloses s wird ebenfalls mit ss oder – nach vorangehendem sth. Konsonant, nach Langvokal und Diphthong – mit ß gekennzeichnet: Plass, Tossen, Käärße, Paoßen, daißen.

Das stimmhafte s wird im Anlaut, nach Langvokal und nach sth. Konsonant mit s geschrieben: Saage, säggen; Biese, blaosen; elsen, Ganse. Dagegen ist es mit dem hier entworfenen Schreibsystem nicht möglich, ein stimmhaftes s nach Kurzvokal zu kennzeichnen, z.B. in den Wörtern Bisse, Hosse, blösserig, da die Vokalkürze mit Doppel-s angegeben werden muß. In diesen Fällen wird im Wörterbuch, und zwar nur hinter dem fettgedruckten Stichwort, der Zusatz (sth. s) („mit stimmhaftem s”) angeführt.

Zwar sind bei in- und auslautendem sk individuelle Varianten der Aussprache mit der Tendenz zu schk festzustellen, doch wird die Lautverbindung im Wörterbuch mit der Schreibung sk wiedergegeben.

Bei der Schreibweise von anlautendem s bzw. sch vor Konsonant wird verfahren wie im Hochdeutschen: schlaopen, Schmolt, Schnee, Schraowen, Schwien neben (mit der gleichen Aussprache als sch) Spatt, spruuten, Steek, strieden usw.

e. r

Der r-Laut wird in der Schreibweise des Westmünsterländischen, wie im Hd., durch r wiedergegeben, und zwar unabhängig davon, wie er realisiert wird. Die älteren Gewährsleute sprechen zumeist im Anlaut, vor und nach Konsonanten und intervokalisch ein „Zungenspitzen-r” (z.B. in raosen, Trappe, Strotte, Karke, Kaore, Garre), während bei der jüngeren Generation und in den Städten Bocholt und Borken das „Zäpfchen-r” überwiegt. Andererseits kann r mit Ersatzdehnung des Vokals schwinden. So findet sich z.B. für ‘Garten’ nebeneinander die Aussprache Gorden (mit „Zungenspitzen-r”) und Gao(r)den (etwa wie in hd. Ohr). Die Vokalisierung von r findet sich durchgehend nach Langvokal (Kaarte, Weer) und in Vor- und Nachsilben wie ver-, -er, -ern (vergääten, Vaader, quaatern). In der Schreibweise des Westmünsterländischen wird, wie im Hd., das r beibehalten.

f. (n)s, (n)ß

In einigen westmünsterländischen Wörtern wird ein Vokal vor ns gedehnt und nasaliert. Dieser Nasal wird in der Schrift mit einem n in Klammern gekennzeichnet, z.B. Maa(n)slöö neben Maaslöö oder Mannslöö, Mää(n)ske neben Määske, Menske; daa(n)ßen neben daaßen und danzen (vgl. 1.2.b).

g. Auslaut

Jeder auslautende Konsonant wird im Westmünsterländischen (ebenso wie im Hd.) stimmlos realisiert. Trotzdem wird im Auslaut von Mundartwörtern -d, -g, und -w geschrieben, wenn sie im Wortstamm (wie sie in der „Verlängerung”, einer flektierten Form oder Ableitung zutagetritt) diesen Konsonanten enthalten:14 -d bzw. –dd (nach Kurzvokal) z.B. bei Arbäid (zu arbäiden), Blood (zu blooden), bei dem Suffix -häid (-häiden), bei gudd (vgl. ne Gudden), bei Radd (dazu Raade); -g bzw. -gg (nach Kurzvokal) z.B. bei Toog (Tööge), Dagg (Daage), Wegg (Wääge) (vgl. dazu auch 2.2.c.). Ebenso bleibt die Schreibung -ng wie im Hd.: Wonnung, Afgang, he göng (vgl. se göngen), jedoch krank. Entsprechend wird mit auslautendem -w verfahren, das es im Hd. nicht gibt: Korw (dazu Körwe), halw (halwe). Statt -ww im Auslaut wurde die leichter lesbare Form -ff gewählt: he bliff (statt bliww), he häff (statt häww).

Das Partizip Perfekt der schwachen Verben wird einheitlich mit -t geschrieben, unabhängig vom Wortstamm: maakt, bout, lääwt.15

h. Zur Aussprache und lautlichen Entwicklung der Konsonanten

Die Aussprache der westmünsterländischen Konsonanten stimmt mit der der hd. Konsonanten überein bei l, m, n, bei h (anlautend) und j (anlautend und bei Lehn- und Fremdwörtern inlautend, z.B. Jaor, Feerjen), bei f, bei sch (vgl. jedoch die unter 1.2.b. und 2.2.d. genannten Abweichungen), beim ich- und ach-Laut (vgl. 2.2.c.) und bei k. Nur im Anlaut ist die Aussprache der Konsonanten p, t und b, d im Westmünsterländischen und Hochdeutschen gleich.

In anderen Positionen sind folgende Entwicklungen festzustellen: Die inlautenden Konsonanten p und t nach Kurzvokal können im Westmünsterländischen geschwächt werden zu b bzw. d, z.B. Kröbbel neben Kröppel, Kedde neben Kette. Auslautendes t kann nach stl. Reibelaut schwinden: Bees, Nach statt Beest, Nacht. Inlautendes b steht im Westmünsterländischen im Wechsel mit w und zeigt vor –en die Tendenz zur Assimilation: Lääben neben Lääwen, gebben neben gewwen, bobben neben bowwen und bomm. Intervokalisches d weist nach Langvokal die Tendenz zum Schwund auf: Broor neben Brooder, laan neben laaden. Nach Kurzvokal kann intervokalisches d wie ein „Zungenspitzen-r” realisiert werden: Perre statt Pedde, Orrer statt Odder (Diese Nebenformen werden im Wörterbuch nicht aufgeführt).

Am stärksten unterscheiden sich der westmünsterländische und hochdeutsche Konsonantismus bei anlautendem g, bei den s-Lauten und beim r (vgl. 2.2.c., d. und e.). Zu den Besonderheiten des westmünsterländischen Konsonantismus gehören ferner der Wechsel von intervokalischem nd und nn (binden : binnen) sowie ld und ll (Solder : Soller, auch „unorganisch”: Telder statt Teller, Mölder statt Möller), die Assimilation der Auslautsilbe -en (wessen zu wenn’, wodden zu wonn’) sowie eine Halbvokalisierung von w nach Langvokal (schreewen zu schreeuen, geew zu geeu, stüüwen zu stüüuen).

 

2.3. Fremdwörter, Eigennamen

Nicht immer ist es möglich, alle Fremd- und Lehnwörter in der westmünsterländischen Mundart nach den bisher beschriebenen Grundsätzen zu verschriften. Am leichtesten fügt sich der – beträchtliche – Anteil von Wörtern aus dem Rotwelschen in das Laut- und Schreibsystem der Mundart ein (z.B. Käts(k)er, maihacken, mekétts, pattes, Schabrácke u.a.). Problematischer sind viele aus dem Romanischen (oft in „zerredeten” Formen begegnende) und einige aus dem Niederländischen und Hochdeutschen übernommene Wörter. So wird die Kennzeichnung der Vokallänge (kurz vor Doppelkonsonanz, lang durch Verdoppelung) und der Diphthonge, so weit es geht, übernommen, z.P. Passelatánt ‘Zeitvertreib’, Prussióóne ‘Prozession’, Baan(tjen) ‘Arbeitsstelle’, Buuße ‘Buße’, Mijnhéér ‘Herr’ usw.

Vokale in nebentonigen offenen Silben sind in den Fremdwörtern kurz, aber gespannt. Dies ist im Hd. ebenso der Fall (vgl. o, u in Auto, Musik) und kann in der Schreibweise nicht markiert werden, vgl. i in westmünsterländisch Prisúúne (kürzer als in Pries, geschlossener als in Prick) oder nebentoniges e und o in demoléérn usw.

Die Schreibweise einiger Wörter niederländischer Herkunft muß als Behelf der Lautwiedergabe gelten: Lawáái, mooi/mööi, nooit (die Aussprache des Diphthonges schwankt bei den Gewährsleuten erheblich), schjouen (gesprochen etwa wie nl. sjouwen).

Die mundartlichen Formen der Personennamen werden auch nach den genannten Grundsätzen verschriftet, z.B. Ääwert, Drüüke, Tönne. Flußnamen und Ortsnamen (Stadt-, Dorf-, Bauerschaftsnamen) werden als Stichwörter in der offiziellen Schreibung, dahinter in der mundartlichen Lautung angeführt: Berkel. Barkel; Erle. Äärle; Coesfeld. Koosfeld; Raesfeld. Raosfeld.

 

2.4. Weitere Zeichen zur Verschriftung der Mundart

a. Apostroph

In den Dialektbeispielen begegnen unterschiedliche reduzierte Formen. Der Apostroph soll den Ausstoß von Vokalen oder Konsonanten kennzeichnen, z.B. bei ha’k (hadde ik), se ha’en (se hadden), a’k (as ik), ebenso bei Präpositionen mit Artikel an’n, up’n, in’t, van’t, uut’t oder bei Assimilation, z.B. wonn’, wenn’, ankomm’ („Überlänge” des Nasals) und beim Präs. Pl. der Verben mit
t
-Stammauslaut: wi mütt’t („Überlänge” des Dentals).

Der Zwischenraum vor dem Apostroph bzw. das Fehlen eines Zwischenraumes geben Auskunft darüber, ob sich ein schwachbetontes Wort an das unmittelbar folgende oder vorangehende, stärker betonte Wort anlehnt (Pro- bzw. Enklise): Se konnen ‘t Huus nich finden neben Se konnen’t nich; Se häff ‘n Book neben Wat’n Book!

b. Bindestrich

Beim Abschnitt zum Lemmaansatz (3.1.) wird die Schreibweise von Zusammenfügungen und -rückungen mit Bindestrich im Lemma beschrieben. In vergleichbarer Weise wird in den Textbeispielen eine Zusammenrückung von substantiviertem Verb mit dem Objekt notiert: an’t Brood-backen, bi’t Mostert-haalen.

Darüber hinaus wird der Bindestrich für die lautliche Darstellung und leichtere Segmentierung im einzelnen Wort verwendet: bei Kompositum und Präfixbildung mit vokalischem Anlaut des Grundwortes: Aapen-äärs, af-ääten. Die Schreibweise soll den Stimmeinsatz markieren (im Unterschied zu öwwerall ohne vokalischen Neueinsatz). Vereinzelt ist diese Schreibweise auch im Wortinnern erforderlich : Belgi-er, Allee-en (Pl.), Maríé-en (nicht Maríén). Der Bindestrich steht außerdem bei Kompositum und Präfigierung, wenn zwei gleiche Konsonanten aufeinandertreffen (Kräien-nüst, af-frääten), vor ss (Ge-ssoppe) sowie (selten) als Segmentierungshilfe: Punds-tuuten ‘Tüte für ein Pfund’.

c. Klammer

Mit der Klammer beim Lemmaansatz wird vermerkt, daß ein Laut oder mehrere Laute ausgelassen werden können (Middernach(t), afblaa(de)n, Gebummel(e)) oder „unorganisch” an das Wort herangetreten sind (Ääkster(t), -owwen(t)). Die Klammer wird auch zur Raumersparnis verwandt, wenn mehrere Formen nebeneinander existieren, besonders bei dreigliedrigen Komposita, bei denen der mittlere Bestandteil ausgelassen werden kann (Aal(en)back auch Aalback; Stroh(dack)decker verkürzt zu Strohdecker). Vgl. auch die Schreibung (n)s, (n)ß (2.2.f.) und die Beispiele bei 3.1.1.

 

2.5. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung, Interpunktion

Die Groß- und Kleinschreibung der Mundartbelege folgt der im Hd. üblichen (Huus, ne Gudden, Ih ‘Ihr’, ih ‘ihr’); vgl. jedoch die unter 2.4.b. angeführte Substantivierung an’t ­Brood-backen.

Die Getrennt- und Zusammenschreibung richtet sich ebenfalls weitgehend nach dem Hd.; um die Mundart leichter lesbar zu schreiben, wird in einigen Fällen anders verfahren, z.B. wird bei Infinitivkonstruktionen mit te (‘zu’) getrennt geschrieben (uut te knüsseln statt uutteknüsseln). In Zweifelsfällen bei der Segmentierung wird getrennt geschrieben.16 Vgl. auch Anm. 17.

Die Interpunktion der Mundarttexte entspricht der des Hochdeutschen. Die hd. Übersetzung oder Paraphrase eines Mundartzitates in Klammern erhält kein Satzzeichen, z.B. Wo is’t? (Wie geht’s); Wat is di? (Was hast du).

 

2.6. Akzent und Betonung17

Der Wortakzent wird – nur beim Stichwort – dann angegeben, wenn das Wort nicht auf der ersten Silbe betont wird. Dies ist oft bei Fremd- und Lehnwörtern (vgl. die Beispiele unter 2.3.) und bei dem Suffix -(er)íj (Suddelíj, Aaperíj) der Fall, ferner bei einigen drei- und mehrgliedrigen westmünsterländischen Komposita (oft abweichend von der hd. Entsprechung): Palmsúnndagg, Old-íéserkäärl, Kinderverwáhrschoole. Auch bestimmte Adverbien (anééne, merkááre) und präfigierte Verben gehören dazu (achtergáón), oft parallel zu Verben mit Anfangsbetonung (öwwerdriewen : öwwerdríéwen).

Die Abweichung von der Anfangsbetonung wird bei den Vorsilben be-, ent-, er-, ge- und ver- nicht gekennzeichnet: Sie tragen nie den Wortakzent.

 

2.7. Tabellen zur Schreibung und Lautung

[Die Tabellen müssen hier leider vorläufig entfallen.]

 

3. Zur Anlage des Wörterbuches und zur Artikelgestaltung

 

Das Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart setzt sich zum Ziel, den zwischen Vreden und Bocholt im Westen und zwischen Wessum, Gescher und Heiden im Osten gesammelten Wortschatz möglichst umfassend zu dokumentieren. Das Wörterbuch möchte das mundartliche Wortgut recht unterschiedlichen Benutzern zur Verfügung stellen: sowohl den Dialektsprechern selbst und allen Liebhabern der westmünsterländischen Mundart als auch den an Dialekt und Lexik interessierten Wissenschaftlern. Den unterschiedlichen Benutzerinteressen galt es bei der Konzeption des Wörterbuches und bei der Darbietung des Materials Rechnung zu tragen. So habe ich versucht, eine an der leichten Lesbarkeit ausgerichtete Schreibweise der Mundart (vgl. 2.) und eine möglichst allgemeinverständliche Gestaltung der Wörterbuchartikel zu finden, die jedoch nicht auf Kosten der wissenschaftlichen Anforderungen, die an ein Wörterbuch gestellt werden, gehen durften. Auch sollten die Wörterbuchartikel nicht mit wissenschaftlichen Angaben (z.B. grammatischer, etymologischer Art) überfrachtet werden, um das „Lesevergnügen” der Mundartliebhaber nicht zu beeinträchtigen. (In dieser Einführung vorkommende Fachwörter werden auf S. 51 kurz erläutert).

Darüber hinaus mußte eine raumsparende, Wiederholungen vermeidende Darstellungsweise gefunden werden, die sowohl jedem einzelnen Wort in seiner Komplexität und besonderen Beleglage gerecht wird, als auch weitere Zusammenhänge der Wörter untereinander aufzeigt. Verknüpfungen systemhafter (geographischer, zeitlicher, stilistischer) ebenso wie sachlich-semantischer Art werden durch ein Verweissystem angedeutet. Über meine Vorgehensweise beim Ansatz des Stichwortes, bei der Anordnung der Bedeutungsangaben und Mundartzitate, der zusätzlichen Angaben in den Wörterbuchartikeln und beim Verweissystem geben die folgenden „Benutzerhinweise” Auskunft.

 

3.1. Alphabetische Anordnung und Lemmaansatz

 

3.1.1. Alphabetische Reihenfolge

Die Wörterbuchartikel werden in alphabetischer Reihenfolge angeführt, ebenso alle Komposita, Präfixbildungen sowie lautlichen Varianten, die auf ein Hauptstichwort verweisen. Nur in einem Fall wird die alphabetische Ordnung nicht eingehalten: Nominalgruppen aus Adjektiv und Substantiv werden unmittelbar nach dem betreffenden Adjektiv angeführt: auf gääl folgen die Stichwörter gääle Äierpruume bis gääle Wottel, danach erst Gäälbost(e) usw.

Bei gleichen Wörtern verschiedener Wortarten steht das Substantiv vor dem Verb (Ääten vor ääten); bei gleichlautenden Substantiven mit unterschiedlichem grammatischen Geschlecht gilt die Reihenfolge m., f., n. Die umgelauteten Vokale werden wie die nicht umgelauteten eingeordnet; bei sonst gleichlautenden Formen stehen die umgelauteten hinter den nicht umgelauteten (Ääpe nach Aape). Die Ligatur ß gilt als ss.

 

3.1.2. Richtlinien für den Lemmaansatz

Die Lemmata werden durch Fettdruck hervorgehoben. Bei regionalen lautlichen Differenzen eines Wortes wird, wenn nicht anders vermeldet, die in Vreden gültige Form als Stichwort gewählt.

Beim Lemmaansatz können unterschiedliche Formen durch Klammern zusammengefaßt werden: beide Varianten gelten nebeneinander, Verweise führen zu der jeweils anderen Form, z.B. haa(ge)bööken (auch haabööken), Gebimmel(t)e (auch Gebimmele), Fleer(boom)holt (auch Fleerholt), Peerde(köttel)kääfer (auch Peerdekääfer) (vgl. 2.4.c.).

 

Folgende Richtlinien gelten für den Lemmaansatz:

Lexikalisierte Fügungen folgender Art werden als eigenes Stichwort aufgefaßt:

a) Nominalgruppen aus Adjektiv (oder Part. Präs.) und Substantiv (sie sind bei Farbadjektiven häufig): z.B. äätende Tehringe ‘Zuckerkrankheit’; Ägíptiske Tulpe ‘Pfingstrose’ (im Gegensatz zu Mäitulpe ‘Tulpe’); gääle Wottel ‘gelbe Möhre als Viehfutter’ (im Unterschied zu Äätewottel ‘Möhre’).

b) Zusammenrückungen, durch Bindestrich verbundene Wortreihen; sie begegenen besonders bei Bezeichnungen von Pflanzen und Kinderspielen, z.B. Jüfferken-in’t-Gröön; Aadam-un-Eewa; Hexe-wat-döös; Stand-an-de-Wand.

c) Zusammensetzungen aus einem Substantiv und einem substantivierten Verb; sie bezeichnen in den meisten Fällen einen Brauch oder ein Kinderspiel: Buxen-nemmen; Fett-priesen; Korw-weggbrengen; Pöttkes-knickern.

Diminutive und Pluralformen werden als Lemma vom Ausgangswort getrennt, wenn sich ihre Bedeutung verselbständigt hat: Päöterken ‘Haubenlerche’ getrennt von Paoter ‘Ordensgeistlicher’, Stengel (Pl.) ‘Stielmus’ getrennt von Stengel ‘Pflanzenstengel’.

Phraseologisch gebundene Formative (nicht in freier Verwendung vorkommende Wörter) werden als Lemma mit dem Zusatz „in der Wendg.”, „in Wendungen wie” angeführt: Kritt in der Wendg. so suur as Kritt; warkstellig in der Wendg. warkstellig maaken; Mööte in Wendungen wie in de Mööte gaon, in de Mööte kommen usw.

Wörter oder Eigennamen, die in einem bekannten Vers, einer Ortsneckerei, einem Sprichwort u.ä. vorkommen, aber sonst im westmünsterländischen Wortschatz keine Rolle spielen, werden ebenfalls als Stichwort aufgeführt, z.B. Äädelmann, Eedelmann (im Abzählvers), Klappspaon (im Spottvers, wenn jemand gepetzt hat), Ssiepelbuur (in Ortsneckerei) oder die Buchstaben A, Zet usw. (in Sprichwörtern).

Von den Ortsnamen (Stadt-, Dorf- und Bauerschaftsnamen) und Flußnamen des Westmünsterlandes und seiner Umgebung werden nur jene als Lemma angeführt, die in bekannten Wendungen, besonders Ortsneckereien (auch aus Orten außerhalb des Bearbeitungsgebietes, oft als Spott auf die fremde Mundart) oder sonstigen festen Fügungen begegnen. Die Orts- und Flußnamen werden als Lemmata in der offiziellen Schreibweise angeführt, gefolgt von den mundartlichen Lautformen (vgl. 2.3.), z.B. Alstätte. Alstää.

Personennamen werden in der mundartlichen Lautung als Stichwort angegeben; oft haben sie zugleich eine appellativische Bedeutung, z.B. bei Ääwert, Liese, Stoffel.

Varianten, die keinen eigenen Lemmaansatz rechtfertigen, werden unter einem Stichwort zusammengefaßt: grappig, grapperig; oppern, oppeln, öppern.

In der nicht standardisierten (normierten) Mundart begegnen mehrfach „Grenzfälle, Wörter und feste Fügungen, bei denen es kein eindeutiges Kriterium gibt, welcher Bestandteil zum Lemma erhoben werden soll. Hier wird nach praktischen Gesichtspunkten (z.B. der Frage, wo der Wörterbuchbenutzer am ehesten nachschlagen werde) versucht, eine Lösung zu finden. Auf jeden Fall wird ein Verweis auf die andere mögliche lemmatisierte Form an der betreffenden alphabetischen Stelle gegeben. Beispiel: Die feste Fügung vöör Leer kommen (haalen u.a.) wird unter Leer 2 angeführt, bei vöörléér steht ein Verweis. Neben Wörtern wie tegánge, tegáste, teréchte u.a. werden die syntaktisch parallelen Wendungen mit te Foote, te Potte, te Wehr usw. (in Anlehnung an den hd. Schreibgebrauch) unter Foot, Pott, Wehr f. usw. angeführt; falls sie unter tefóóte, tepótte, tewéhr nachgeschlagen werden, führt ein Verweis zum Stichwort. Vgl. Anm. 16.

 

3.1.3. Formal gleiche Stichwörter

Bei Wörtern, die in ihrer graphischen (z.T. auch lautlichen) Gestalt identisch, jedoch semantisch klar zu trennen sind, werden getrennte Lemmata angesetzt (unabhängig davon, ob sie historisch auf eine gemeinsame Form zurückgehen). Dabei wird folgendermaßen verfahren:

a. Gleichlautende Lemmata (bei Substantiven: mit gleichem Genus) werden durchnumeriert: Ääksterpott 1 m. ‘Elsternnest’ – Ääksterpott 2 m. ‘wer Streit sucht, stichelt’; afstrie(de)n 1 ‘abschreiten’ – afstrie(de)n 2 ‘abstreiten’.

Nicht numeriert wird

b. bei gleichlautenden Stichwörtern mit unterschiedlichem Genus – die fettgedruckten Angaben m., f., n. gehören zum Lemma: Hohn m. ‘Hohn’ – Hohn n. ‘Huhn’,

c. bei gleichlautenden Verben, die sich durch das Reflexivpronomen sik unterscheiden: verfeern ‘mausern’ – verfeern, sik ‘sich erschrecken’,

d. bei gleichlautenden Lemmata, von denen eines nur im Plural, mit der Kennzeichnung (Pl.) vorkommt: Stengel m. ‘Stengel’ – Stengel (Pl.) ‘Stielmus’,

e. bei formal gleichen Wörtern, jedoch mit unterschiedlicher Betonung: öwwerschriewenöwwerschríéwen,

f. bei gleichgeschriebenen Wörtern unterschiedlicher Aussprache (nur bei stimmlosem bzw. stimmhaftem -ss-, vgl. 2.2.d.): bissig ‘bissig’ – bissig (sth.s) ‘unruhig’,

g. bei gleichlautenden Stichwörtern, von denen eines ein Eigenname ist: Dorp. Darp ‘Dorf’ – Dorp. Darp ON Dorp, Bauerschaft von Dingden; Drees ‘Acker’ – Drees PN Andreas.

 

3.1.4. Komposita und Präfixbildungen

Bei Komposita und Präfixbildungen wurde eine verkürzte Notation des Lemmaansatzes gewählt, da die Lautvarianten des einzelnen Wortes und ihre regionale Gültigkeit i.a. auch für die zusammengesetzten Wörter gilt. Die folgende raumsparende Zitationsweise gilt für Zusammensetzungen und Präfixbildungen aller Wortarten.

a. beim ersten Wortbestandteil:

Wenn der erste Wortbestandteil eines Kompositums oder einer Präfixbildung Varianten aufweist, so werden diese vor der ersten Zusammensetzung bzw. Präfigierung wie folgt angegeben:

Ääben- auch: Ääwen-; Bark(en)– auch: Berk(en)-; Af-, af- auch: Of-, of-. Diese Notation besagt, daß die Stichwörter Ääbenbeld, Ääben-ölder, -older auch Ääwenbeld, Ääwen-ölder, -older, alle Komposita mit Bark-, Barken- als Bestimmungswort auch Berk-, Berken- lauten können (und zwar in den unter Berke genannten Orten) und daß die Variante Of-, of- für alle Präfigierungen gilt, von Af-aard, af-ääten bis afwosseln (daher kann in Mundartzitaten die Form mit of- vorkommen, vgl. z.B. bei aftrecken). Die Verbreitung der Komposita und Präfixbildungen bzw. ihrer Varianten stimmt mit der des Simplex überein, falls dies nicht anders vermerkt ist.

b. beim zweiten Wortbestandteil:

Die Varianten im zweiten Bestandteil von Kompositum oder Präfixbildung werden ebenfalls in verkürzter Form angeführt. Genauere Angaben – hinsichtlich der geographischen Verbreitung, der Plural- und Diminutivbildungen – sind beim jeweiligen Simplex zu finden, z.B. Aapenfoor, -fuur; af-ääten, -etten: Die unter Foor 1 n. bzw. unter ääten angegebenen Ortssiglen für die geographische Verbreitung der Haupt- und Nebenformen gelten auch für die Zusammensetzung bzw. Präfigierung. Somit erübrigt es sich, die Belegorte jeweils für Aapenfuur neben Aapenfoor oder für af-etten neben af-ääten zu wiederholen.

 

3.2. Zur Anordnung der Bedeutungserklärungen und Textbeispiele

 

3.2.1. Beschreibung der Wortbedeutungen

Die Beschreibung der Bedeutung oder Bedeutungen (das hochdeutsche Interpretament) eines westmünsterländischen Wortes nimmt die zentrale Stelle und zumeist den breitesten Raum im Wörterbuchartikel ein. Die verschiedenen in den Zettelkästen gesammelten Belege mit ihren „aktuellen” Bedeutungen galt es in eine bestimmte Gliederung und übersichtliche Gesamtdarstellung zu bringen. Da jedes Wort seine eigene Bedeutungsentwicklung und -differenzierung – innerhalb eines Beziehungsgeflechtes der sinnverwandten Wörter – und eine unterschiedliche Beleglage aufweist, können nicht alle Wörter mit ihren Textbeispielen nach einem starren Schema behandelt werden. Dennoch gelten dabei einige Richtlinien:

 

a. Folgende Rangordnung unterschiedlicher Bedeutungen eines westmünsterländischen Wortes wurde vorgenommen:

Ähnliche Bedeutungen werden durch Kommata aneinandergereiht: ääkstrig zänkisch, streitsüchtig.

Stärker voneinander abweichende Bedeutungen werden durch Semikola getrennt: ääkstern streiten, ärgern; nörgeln, kleinlich kritisieren.

Bedeutungen, die sich zwar erheblich voneinander abheben, aber dennoch unter das gleiche Stichwort subsumieren lassen, werden durchnumeriert (vgl. die Beispiele in c.-f.). Durch die fettgedruckten Zahlen und einen Punkt am Ende werden die Bedeutungsabschnitte stärker voneinander abgehoben.

Für Wörter gleicher Form, die semantisch voneinander zu trennen sind, werden mehrere Stichwörter angesetzt (vgl. 3.1.3.).

b. Bei der Beschreibung der Bedeutung eines Wortes ist allein die mundartliche Verwendung (die von den Gewährsleuten als am wichtigsten bezeichnete Bedeutung) maßgeblich. Z.B. wird westmünsterländisch Rind ausschließlich mit dem Interpretament ‘junge Kuh, vom Zeitpunkt, da sie zum ersten Mal tragend wird, bis zum zweiten Kalben’ versehen, unabhängig von der möglicherweise mitschwingenden Bedeutung von hd. Rind (wie sie auch in den Komposita der Mundart begegnet).

c. Das gleiche gilt für die Rangordnung der Bedeutungserklärungen eines polysemen Wortes: Die in der Mundart zentrale Bedeutung tritt an die erste Stelle: z.B. rangiert bei Waatervoggel die Bedeutung ‘Vogel, der den Regen ankündigt’ vor ‘Wasservogel’, bei Maol die Angabe ‘Mal, Zeitpunkt’ vor ‘Mahlzeit, Essen’ usw.

Dies trifft auch für einen Fall wie Maschiene zu, dessen mundartliche Hauptbedeutung ‘Kochherd’ lautet, obwohl das Wort in dieser Bedeutung als elliptische Form von Kockmaschiene zu werten ist.

d. Ebenso hat im Fall der Polysemie eines Wortes die allgemeinsprachliche Bedeutung Vorrang vor der engeren, meist fachsprachlichen Verwendung, z.B. Aor 1 1. Ohr. 2. ohrenartiger Gegenstand, z.B. Schlaufe, Henkel, Griff, oder Pedde 1. Kröte. 2. Öllämpchen (in krötenartiger Form) usw. Vgl. 3.3.5.

e. Wenn ein Wort konkrete und abstrakte Bedeutungen aufweist, so treten die abstrakteren ans Ende; z.B. wird bei Verstand die Bedeutung ‘Hirn, Gehirn’ vor den Bedeutungen ‘Vernunft, Verstand’ angeführt. Auf jeden Fall rangiert die zentrale, in der Mundart vorherrschende Bedeutung an erster Stelle, z.B. bei bäiern, das primär als ‘bestimmte Art zu läuten’ interpretiert wird, während unter 2. die Bedeutungen ‘schwingen, schaukeln’, unter 3. ‘wackeln, wanken, taumeln’ und erst unter 4. die „übertragene” Bedeutung ‘reden, tratschen, schwatzen’ angegeben werden.

f. Bei vielen Wörtern kann keine Rangordnung, wie unter c.-e. aufgezeigt, vorgenommen werden. Die einzelnen im Belegmaterial enthaltenen Bedeutungen werden (durchnumeriert) hintereinandergestellt, z.B. bei uutmaaken: 1. ausmachen, löschen (Licht). 2. herausnehmen, ausgraben, ausstechen (bes. von Kartoffeln). 3. wert sein, bedeuten. 4. ausschimpfen.

g. Für Wörter der westmünsterländischen Mundart, die in einer großen Fülle von Belegen begegneten (z.B. doon, Kopp mit Hunderten von unterschiedlichen Belegen) reichte diese grobe Einteilung in durchnumerierte Bedeutungskomplexe allein nicht aus (z.B. bei doon 1. tun; arbeiten, ausführen usw. und 2. geben; Kopp ohne Untergliederung). Hier erwies sich, im Anschluß an einen allgemeineren Belegteil, die Anordnung nach der syntaktischen Fügung mit Präpositionen als praktikabel, z.B. doon an, doon in, doon met usw. oder an’n Kopp, bi’n Kopp usw. bis uut’n, van’n und vöör’n Kopp.

h. Eine Bedeutungsangabe in Anführungsstrichen findet sich bei westmünsterländischen Wörtern, die in festen (oft scherzhaften) Fügungen vorkommen und zwar keine hd. Entsprechung haben, jedoch verständlich sind, z.B. Hierbliewerskäörken „Hierbleiberswagen”, in der Wendg. Du föhrs met up’t Hierbliewerskäörken, oder Vergäätensbook „Vergessensbuch”, in Wendungen wie in’t Vergäätensbook kommen, in’t Vergäätensbook schriewen usw. Bei den übrigen phraseologisch gebundenen Formativen (vgl. 3.1.2.) steht die Bedeutungsangabe nicht nach dem Lemma, sondern der festen Fügung: z.B. Putt in der Wendg. in’n Putt gaon ‘schwächer, geringer werden’.

i. Oft ist es erforderlich, die mit dem Mundartwort verbundenen Sachzusammenhänge, die dem Leser nicht durchgehend bekannt sein dürften (Ortstypisches, Volkskundliches, Historisches usw.) zu erklären. Diese sachliche Erläuterung steht jeweils in Klammern und ist nicht als „Bedeutungsangabe” oder „Übersetzung” eines Wortes oder Mundartzitates aufzufassen, z.B. Aadlerteeken Adlerzeichen (z.B. der preußische Adler als Eichstempel im Scheffel, ’ Iekstempel, od. Brandmarke für Pferde); Aadam-un-Eeva blauer od. bunter Eisenhut18 (hochwachsende, giftige Pflanze mit helmartiger Blüte); Wo de Ääkster dat Lock mäck, kümp van’t Jaor nich de Wind (Wo der Eingang zum Elsternnest liegt, ist es windgeschützt).

 

3.2.2. Mundartzitate

Wie bei der Anordnung der Bedeutungserklärungen der Wörter wurde auch beim Anführen der Mundartzitate nicht nach einem festen Schema verfahren; sie dienen entweder der Verdeutlichung eines Wortes, einer Wortbedeutung im (syntaktischen oder semantischen) Kontext, oder sie sind selbst Gegenstand der Dokumentation (wie volkskundliches Saggut, Phraseologismen u.a.). Gemeinsam ist allen Belegen, daß sie keine Konstrukte darstellen, sondern echten Gesprächssituationen, Befragungen, dem lebendigen mundartlichen Sprachgebrauch entnommen sind. Die Mundartzitate werden nicht in jedem Fall vollständig und „wörtlich” übersetzt, sondern möglichst knapp, z.B. Du föhrs ‘n verkährten End uut (in die falsche Richtung). Eine Erklärung folgt vor allem dann, wenn die Bedeutung nicht unmittelbar aus dem Textbeispiel hervorgeht: Doot de man ne Knuuw Brood achter, dat sitt in de Maage (Schwarzbrot sättigt). Jedes im Mundartzitat vorkommende Wort erscheint auch als Lemma im Wörterbuch, kann also dort nachgeschlagen werden.

Von den verschiedenen Funktionen und Arten der Textbeispiele seien hier einige genannt:

Kurztexte, die besondere syntaktische Fügungen aufweisen, z.B. Brood an Brocken schnieden; Et was in Brocken (‘entzwei’); He ligg up’t Krankenhuus.

Beispielsätze, die eine sachliche Erklärung des Mundartwortes enthalten: An den Tackhaaken was ‘n Krümmer, üm dat saore Holt van de Bööme te trecken; Eene Peerdehölpe was dree Daage Hölpe met een Mann.

Brauchtümliches: in’n hollen Klump blaosen; Se bünt van’n Praääkstohl follen; den Schleew öwwergewwen.

Verse, Rätsel, Wetterregeln, Spielausdrücke u.a.m.

Gesprächsfloskeln (Gruß, Dank, Beteuerung, Antwortschemata u.a.), z.B. Kiek de äs weer achterhen! (Einladung zu kurzem Besuch); Doot, wat ih könnt! (Abschiedsgruß); Lao di’t gudd gaon! (Antwort:) Meen’t ook so.

an Situationen gebundene formelartige Wendungen, z.B. Daor kann noch mähr liggen (wenn etw. hinfällt); Di schellt ‘n Haaken an’t Gatt! (wenn jd. die Tür nicht zumacht); Den Dank, den legg män in de Hilde! (wenn jd. sich nur mit Worten bedankt).

Phraseologismen und Sprichwörter. Sie sind dadurch markiert, daß entweder ein hd. Phraseologismus bzw. ein hd. Sprichwort in Anführungsstrichen folgt oder ihre „metaphorische” Bedeutung paraphrasiert wird. Beispiele: He packt up de verkährte Kaore („setzt auf das falsche Pferd”); up ne andere Kaore packen (umändern; umdenken, flexibel sein); met Kind of Küüken („mit Kind und Kegel”); Dat Schapp is van Ende bes Wende uut Eeke (aus massivem Eichenholz); So Volk so Hund („Wie der Herr, so’s Gescherr”); Bünt de Bööme groot, is den Pötter dood (Erst der Sohn genießt, was der Vater durch Fleiß erworben hat). Phraseologismen werden nicht immer in der (in der mündlichen Rede seltenen, konstruierten) Infinitivgruppe, sondern in der real vorkommenden Form angeführt, z.B. Denne lügg as ‘n Book (statt leegen as ‘n Book).

 

3.3. Zusätzliche Angaben im Wortartikel

 

3.3.1. Grammatische Angaben

Die grammatischen Angaben wurden auf ein knappes Maß begrenzt. Dialektgeographische Aspekte konnten hierbei nicht berücksichtigt werden: Beim „Abfragen” der Stammformen der starken Verben stellte sich eine ungeahnte Formenvielfalt heraus, z.B. für ‘sie gingen’: göngen in Wes, Ot, Vr, Ge, gongen in Vr, St, Sü, güngen in We, Ra, Rae, gungen in Rh, Bo neben gingen in Vr, Bor, Hei. Weniger stark ausgeprägt zeigte sich dieses Problem auch bei der Pluralbildung der Substantive (z.B. Kohne, Köje, Küje). Das Wörterbuch kann hier nicht eine Reihe von Ortsgrammatiken ersetzen; vielmehr sollen das Wort und seine Bedeutungen im Vordergrund stehen. So beschränken sich die „grammatischen Angaben” auf die in Vreden gültige bzw. die am häufigsten belegte Form.

Schwierigkeiten bereitete auch die Ermittlung des grammatischen Geschlechts einiger Substantive, da sich eine Unsicherheit seitens der Gewährsleute zeigte. Doch wurde anhand von Textproben versucht, auch beim Genus der Substantive ein zuverlässiges Bild des westmünsterländischen Wortschatzes zu dokumentieren.

Folgende Angaben finden sich hinter dem Stichwort:

1. Bei den starken Verben (den nichtpräfigierten Verben) werden die 3. Pers. Sing. Präs., die 1./3. Pers. Sing. Prät., der Pl. Prät. und das Part. Perf. angeführt, z.B.: sprääken (spreck; sprack, spraaken; sprocken). Für die präfigierten Verben gelten die gleichen Stammformen, für sie wird auf das Simplex verwiesen. Die Kennzeichnung des Verbs als „stark” oder „schwach” erübrigt sich, da jene Verben mit angegebenen Stammformen zu den „starken”, alle anderen zu den „schwachen”, d.h. regelmäßig flektierenden Verben gehören. Das Partizip Perfekt kann in der westmünsterländischen Mundart ohne oder mit der Vorsilbe e– (seltener ge-) gebildet werden (neben sprocken auch esprocken, gesprocken); die letzteren Formen begegnen zwar in den Textbeispielen, werden aber nicht unter den Stammformen angeführt.

Reflexive Verben werden durch sik im Stichwort oder in den Satzbeispielen markiert.

2. Beim Substantiv wird das grammatische Geschlecht (m., f., n.) angegeben, beim Simplex außerdem seine Plural- und Diminutivformen, sofern sie vorkommen. Bei Wörtern, die nur als Diminutiva belegt sind (sie sind stets Neutra, z.B. Doodenhüüsken), wird das Genus nicht angeführt. Bei Diminutiva, die sich keinem Simplex zuordnen lassen, z.B. Küüken, Maiken, wird das Genus angegeben.

Bei Eigennamen und substantivierten Zusammenrückungen steht kein grammatisches Geschlecht. Nur im Plural belegte Wörter werden mit (Pl.) gekennzeichnet. Beispiele: Ääbenbeld n.; Ääkster(t) m.f. (Ääksters; Ääksterken); Adwéntsklocken (Pl.); Aapenkästken.

3. Beim Adjektiv/Adverb werden die Steigerungsformen angeführt, wenn sie sich von der üblichen Bildungsweise unterscheiden, z.B. groot (grötter; gröttst).

4. Die Zugehörigkeit eines westmünsterländischen Wortes zu der betreffenden Wortart wird nicht vermerkt; sie geht aber aus seiner hd. Bedeutungserklärung oder aus den beigefügten Mundarttexten hervor, z.B. schüchtern ‘scheuchen’ (demnach ein Verb), schüchterig ‘scheu, bange’ (ein Adjektiv/Adverb) usw.

 

3.3.2. Ortsangaben

Das Bearbeitungsgebiet (vgl. die Karte auf S. 16) mit seinen städtischen Zentren und Gemeinden (Vreden, Stadtlohn, Südlohn, Gescher im Norden und Bocholt, Rhede, Borken sowie Velen, Heiden und Raesfeld im Süden) und zahlreichen, heute eingemeindeten Dörfern oder ehemals selbständigen Landgemeinden (z.B. Wessum, Ammeloe, Ottenstein, Wüllen im nördlichen Gebiet, Oeding, Groß-Burlo, Weseke, Ramsdorf im mittleren, sowie Barlo, Hemden, Vardingholt, Borkenwirthe im Südwesten und Gemen, Marbeck im Südosten) ist im ländlichen Bereich kleinräumig untergliedert: Es sind jene über 60 „Bauerschaften”, die sich um die größeren Ortschaften gruppieren. Sie spielen zwar als Verwaltungseinheiten kaum eine Rolle, sind den ländlichen Einwohnern aber sehr genau als Gliederung des Raumes bewußt. Die Sammeltätigkeit der Gewährsleute und ihre mundartliche Kompetenz erstrecken sich zumeist über die Grenzen eines Dorfes oder einer Bauerschaft hinaus, so daß bei der Zuordnung des mundartlichen Wortmaterials zum Raum ein gröberes Raster verwendet werden konnte. Zur Lokalisierung wurden 13 Belegorte festgelegt, die als Ortssiglen folgendermaßen abgekürzt werden: Bo = Bocholt, Bor = Borken, Ge = Gescher, Hei = Heiden, Ot = Ottenstein, Ra = Ramsdorf, Rae = Raesfeld, Rh = Rhede, St = Stadtlohn, = Südlohn, Vr = Vreden, We = Weseke, Wes = Wessum. So werden die Angaben von Gewährsleuten z.B. aus Vreden-Wennewick, Stadtlohn-Estern, Borken-Marbeck usw. unter den Siglen Vr, St, Bor usw. im Wörterbuch verarbeitet.

Nach folgendem Schema werden geographische Begrenzungen einzelner Mundartwörter im Wörterbuch angeführt:

1. Keine Ortsangaben stehen, wenn ein Wort im gesamten Bearbeitungsgebiet gilt und keine regionalen Varianten aufweist (z.B. Katte, loopen). Mehrere Varianten eines Wortes, die im gesamten Bearbeitungsgebiet gleichermaßen vorkommen, stehen ebenfalls ohne Ortssiglen; sie werden durch Kommata aneinandergefügt; oppern, oppeln, öppern.

2. Wenn ein Wort nur in einem Teil des Untersuchungsgebietes belegt ist19, stehen die Ortssiglen nach dem Stichwort bzw. den grammatischen Angaben, z.B. Rappel-appel m. (Ot, Vr, St, Sü, Ge); pöllen (Wes, Ot, St, Sü, Ge, Rae).

Varianten eines begrenzt gültigen Wortes, die nicht nach Orten zu trennen sind, werden durch Kommata aneinandergefügt; die Ortssiglen beziehen sich auf alle Formen: rudderig, rodderig (Vr, St, Sü, Ge, Hei, Bor).

3. Ein Wort begegnet in mehreren Varianten, die sich nach Aussage der Informanten den einzelnen Belegorten zuordnen lassen. In diesem Fall stehen die Ortssiglen hinter dem Stichwort bzw. den Varianten, z.B. Bickbääse (Vr, St, Rae, Bo). Beckbääse (Rh). Bickbäär (Ra, Rae). Bickbeere (We, Hei). Beckbeer(e) (Wes, Ot, St, Ge, Bor, Rh) f.

Die einzelnen Varianten mit ihren Ortsangaben20 sind durch einen Punkt getrennt. Die Angabe des Genus tritt ans Ende dieses Belegteils.

In den meisten Fällen ist die Beleglage weniger kompliziert, so daß vereinfacht werden kann: Wenn ein Wort im gesamten Bearbeitungsgebiet gilt und nur für einige Orte eine Variante an seine Stelle tritt, so werden nur nach der Variante, die durch einen Punkt von dem Hauptstichwort getrennt ist, die Ortssiglen angeführt. Damit erübrigt es sich, alle weiteren Belegorte für das Stichwort vor dem Punkt aufzuzählen: Aale. Aalte (Rae, Rh, Bo). ääten. etten (Wes, Ot).

Zu weiteren Vereinfachungen bei der Notation vgl. den Abschnitt „Komposita und Präfixbildungen” (3.1.4.).

4. Wenn ein Wort im gesamtem Untersuchungsgebiet in einer bestimmten Form belegt ist, darüber hinaus jedoch von einzelnen Gewährsleuten Varianten genannt wurden, so wird dies durch ein Semikolon markiert: Die Form vor dem Semikolon gilt im gesamten Beleggebiet, die Form nach dem Semikolon ist eine zusätzliche Variante, wie sie von Personen einzelner Belegorte mitgeteilt wurde. Es handelt sich also nicht um eine dialektgeographische Verteilung der Wortformen wie bei 2. und 3., sondern um eine zusätzliche Form, z.B. Kockfrou; Kocksfrou (Ge); Peerdebohne; Peerdsbohne (Bo).

5. In einigen Fällen beziehen sich die Ortsangaben auf das – vom Hauptstichwort abweichende – Genus eines Substantivs. Die Notation erfolgt nach dem in 2. bis 4. dargestellten Schema, z.B. Örgel, Orgel n. Örgel m. (Rh, Bo).

6. Wenn ein Wort mehrere Bedeutungen hat, von denen eine nur an bestimmten Orten gilt, so wird dies ebenfalls vermerkt, z.B.: Knabbelkoste, -köste f. 1. Kruste von getrocknetem Weißbrot. 2. Beere des Weiß- u. Rotdorns (St, Sü, Bor, Rae, Rh, Bo).

7. Mundartzitate, Phraseologismen, Sprichwörter u.a. erhalten ebenfalls ein Sigel, wenn sie nur für einen bestimmten Ort belegt sind, z.B.: In’n Sommer steht de Ääkster up den Tuun un gaapt van Hette (Bor).

 

3.3.3. Zeitliche Schichtung

Für das Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart wurden nur solche Wörter gesammelt und verzeichnet, die den Mundartsprechern (noch) bekannt waren; in historischen Texten belegte, keinem der Informanten geläufige Wörter wurden nicht aufgenommen. Angesichts des Alters der Gewährspersonen – sie erinnerten sich zum Teil an Ausdrücke, die sie selbst nicht mehr, aber ihre Eltern gebrauchten – reicht der Belegzeitraum für das Wörterbuch somit vom Anfang bis in die 80er Jahre dieses Jahrhunderts. Während dieses Zeitraumes hat sich die Lexik der Mundart (durch Schwund und Neuerungen) nicht unerheblich gewandelt. Ob ein Wort bzw. dessen Bedeutung zum neuernden oder veralteten Wortschatz gehört, wird im Wörterbuch nur dann vermerkt, wenn dies aus den Aussagen der Gewährsleute klar hervorgeht und die jeweils ältere bzw. jüngere gleichbedeutende Entsprechung bekannt ist. Die Angaben (mod.) (modern) bzw. (alt) stehen hinter der Bedeutungserklärung des Wortes, unmittelbar gefolgt von dem jeweils älteren bzw. jüngeren Wort (oder mehreren Entsprechungen), z.B. Doodenkiste f. Sarg (alt). Sarg; entsprechend Sarg n. Sarg (mod.). Doodenkiste, Kissfatt; oder: Duuwenmänn(e)ken männliche Taube (mod.). Aornd, Hahn, Kröpper, Voggel.

Die Markierungen mod. und alt beziehen sich auf das Wort, nicht auf die damit bezeichnete Sache (nicht ‘Sarg’als Sache ist jung, sondern das Wort Sarg als Bestandteil der mundartlichen Lexik). Der zeitliche Rahmen der bezeichneten Sachen wird durch Angaben wie „um 1920”, „bis zum Zweiten Weltkrieg”, „heute nicht mehr üblich” gekennzeichnet, z.B. bei Stootkaarne „bis zum Ersten Weltkrieg”, bei Bollerwagen „bis um 1960 sehr gebräuchlich”, bei Handkaore „Vorläufer des Bollerwaagen”, bei Pressballen „seit der Einführung der Strohpresse um 1960”.

 

3.3.4. Stilistische Markierung und Textsorten

Die Aussagen zum Stilwert einzelner Wörter und Mundartzitate wurde begrenzt auf scherzh. (scherzhaft), iron. (ironisch), abw. (abwertend), derb und grob. Mit diesen Angaben wird sparsam verfahren, da oft erst ein größerer Textzusammenhang oder der „Ton”, in dem etwas gesagt wird, zu solcher Kennzeichnung berechtigt. Sie werden vor allem in jenen Fällen angeführt, in denen sie von den Gewährsleuten nachdrücklich genannt wurden und in denen sie aus der hochdeutschen Entsprechung bzw. Übersetzung nicht ohne weiteres hervorgehen. Für die Stilmerkmale, besonders für grob, gilt, daß sie sich nicht auf die bezeichnete Sache, sondern auf die sprachlichen Mittel, und zwar innerhalb eines Kreises von sinnverwandten Wörtern und Wendungen, beziehen.

Beispiele: Däälenhahn Hoferbe (scherzh.); tweespännig ääten (mit Messer u. Gabel, scherzh.). Well kinn Geld häff, de häff ook kinn Verstand (Nur reiche Leute haben Sachverstand, iron.). Wiewervolk Frauen (alle zusammen, abw.). Lao we eenen in’n Kopp houen (einen trinken, derb). miegen urinieren (grob) (eine stilistische Wertung, die nach Aussage der Informanten für andere bedeutungsgleiche mundartliche Verben wie pinkeln, pissen, saiken, waatern u.a. nicht zutrifft).

Weitere erläuternde Angaben zu Mundartwörtern sind z.B. Kinderspr. (Kindersprache), Jux, Spott oder beziehen sich auf die Textsorten, denen sie angehören, wie Rätsel, Abzähl-, Heische-, Jux-, Kindervers, Wetterregel, Ortsneckerei u.ä. Vgl. auch 3.2.2.

 

3.3.5. Fachsprachliche Markierung

Im Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart nimmt der fachsprachliche, d.h. der nur einer begrenzten Personen- oder Berufsgruppe geläufige Wortschatz, beträchtlichen Raum ein. Gerade die ortstypischen Berufsarten (Holzschuhmacherei in Wessum und Ammeloe, Töpferei in Stadtlohn und Vreden, Leinenweberei, Baumwollspinnerei in Bocholt u.a.) und viele andere Handwerkszweige wurden bei der Materialerhebung ausführlich berücksichtigt. Darüber hinaus dürfen weite Bereiche der mundartlichen Lexik als nicht allgemeinsprachlich gelten, wie der Fachwortschatz des Bauern (genannt sei das recht differenzierte Benennungssystem von Haustieren, je nach Alter, Geschlecht, Mastphase, Gewicht, Verwendungszweck usw.), der Sonderwortschatz der Hausfrau (z.B. Stoffe, Nähgarnsorten), des botanisch Interessierten (z.B. Kräuter und Wildpflanzen) usw., der ebenso nur einem beschränkten Personenkreis bekannt ist. All dies kann im Wörterbuch nicht in jedem Einzelfall als fachsprachlich markiert werden. Die Zugehörigkeit eines Mundartwortes zur fachsprachlichen Lexik geht daher entweder aus einer knappen Angabe (z.B. „in der Gerberei”, „in der Baumwollspinnerei”, „im Forstwesen”, „beim Schmied”, „Werkzeug des Holzschuhmachers” usw.) im Anschluß an die Bedeutungserklärung oder aus dem Interpretament selbst hervor. Auch Verben werden, wenn es möglich ist, als fachsprachlich gekennzeichnet (z.B. öwwerwinkeln anzeichnen mit dem Winkelmaß (Schreiner-, Bauholz); blatten 2 z.B. beim Schreiner: laschen, zwei Balken verbinden). Wörter wie Afheeber ‘Stahlschiene zum Abheben frisch gedrehter Töpferware’, Kuum ‘Gerbbottich’, Nietklinge ‘Werkzeug zum Hufbeschlag’ werden durch die Bedeutungserklärungen dem fachsprachlichen Bereich zugeordnet; Angaben wie „in der Töpferei, Gerberei, Schmiede” sind überflüssig.

Für Wörter mit sowohl allgemein- als auch fachsprachlicher Bedeutung gilt: Die Bedeutungsangaben werden durchnumeriert und klar voneinander getrennt, z.B. Huus in der zweiten, fachsprachlichen Verwendung für ‘Bügel, in den der Langbaum des Ackerwagens führt’. Vgl. 3.2.1.d.

 

3.3.6. Zusammensetzungen

Am Ende eines Wörterbuchartikels findet sich unter Zs.: ein Hinweis auf Zusammensetzungen (sofern vorhanden). Angeführt werden die Bestimmungswörter von Komposita, die das behandelte Wort als Grundwort haben, und zwar bei allen Wortarten gleichermaßen. Bei den Verben werden nur die Zusammensetzungen mit selbständigen, nicht gebundenen Morphemen angegeben. Beispiele: Aore (‘Ähre’) Zs.: Dübbel-, Gasten-, Haawer-, Mooder-, Roggen-, Twee-, Wäiten-; brääken Zs.: Bütte(n)-, daale-, kaputt-, kott-, loss-, wegg-; dicht Zs.: räägen-, un-, waater-; gistern (‘gestern’) Zs.: ähr-, vöör-.

In wenigen Fällen können die Zusammensetzungen nicht eindeutig einem Simplex zugeordnet werden; es folgt ein Verweis, z.B. bei Titt: Zs.: Titte.

 

3.4. Verweissystem

 

3.4.1. Verweise beim Lemmaansatz

Die fettgedruckten Lemmata setzen sich zusammen aus Wort- und Verweisartikeln: Alle beim Stichwort aufgenommenen Varianten werden zusätzlich in Fettdruck an alphabetischer Stelle angeführt und verweisen mit einem Pfeil auf den betreffenden Wörterbuchartikel. Nur wenn die Variante alphabetisch unmittelbar vor oder nach dem Wörterbuchartikel rangiert, erfolgt kein Verweis. Um Raum zu sparen, kann sich der Verweis nur auf den ersten Wortbestandteil (von Komposita und Präfixbildungen) beziehen. Beispiele: ääfkes ääben 2; Aalback Aalenback; Aaber-, aaber- Aawer-, aawer-.

Verweise ähnlicher Wörter in alphabetischer Aufeinanderfolge werden in einer Zeile zusammengefaßt, z.B. dadde, Daddel daarde, Daardel.

Wenn der Verweis formal mit einem anderen Wort zusammenfällt oder wenn er auf ein Lemma an entfernter Stelle verweist, wird eine knappe Bedeutungsangabe zwischen einfachen Anführungsstrichen hinzugefügt, um so das Auffinden des gesuchten Wortes zu erleichtern: Asse ‘Asche’ Aske (die Angabe ‘Asche’ steht dort wegen des gleichlautenden Wortes Asse ‘Achse’); ‘ke ‘ich’ ik; plaats ‘anstatt’ amplass.

 

3.4.2. Verweise im Wörterbuchartikel

Mit einem differenzierten Verweissystem in den Wörterbuchartikeln soll versucht werden, trotz der alphabetischen Anordnung Verbindungen der Wörter untereinander aufzuzeigen. Diese Verweise stehen entweder am Ende des Wörterbuchartikels (wenn sie sich nicht den unterschiedlichen Bedeutungsabschnitten zuordnen lassen) oder am Ende eines – im Wörterbuchartikel durchnumerierten – Abschnittes und beziehen sich nur auf diesen Bedeutungskomplex. Darüber hinaus begegnen Verweise innerhalb einer Klammer: Sie beziehen sich nur auf den in der Klammer behandelten Ausdruck.

 

Die Gründe für die Verweise sind unterschiedlicher Art:

a. Aus Gründen der Raumersparnis wird ein Mundartbeispiel nur an einer Stelle des Wörterbuches angeführt, auch wenn darin mehrere Wörter in interessantem Kontext begegnen. Statt einer Wiederholung des Zitates an anderer Stelle erfolgt ein Verweis auf den Wörterbuchartikel, in dem es angeführt wird. Dies kommt einige Male bei mundartlichen Sätzen mit sachlicher, volkskundlicher Information, in den meisten Fällen jedoch bei Phraseologismen und Sprichwörtern vor (Dadurch erklärt sich der hohe Anteil an Verweisen z.B. bei Buur, Düüwel usw.). Die Zuordnung eines Mundartzitates zu einem Lemma unter mehreren möglichen wurde nicht nach einem festen Schema vorgenommen.

b. Zur Raumersparnis gehört es ebenfalls, daß ausführliche Sachinformationen (z.B. brauchtümlicher, volkskundlicher, regionaltypischer Art), die sich auf mehrere Wörter in gleicher Weise beziehen, nur an einer Stelle im Wörterbuch gegeben werden und die anderen betroffenen Wörter eine knappere Erläuterung und den Verweis erhalten. Dies ist z.B. oft der Fall bei parallel gebildeten, in ihrer Bedeutung ähnlichen Komposita (wie Büükefatt, nur dort mit ausführlicher Sachbeschreibung, neben Büükeküümen, Waskeküümen, Waskefatt usw.) oder bei Wörtern unterschiedlicher zeitlicher oder geographischer Verteilung (vgl. 3.3.2. und 3.3.3.), z.B. unter Schnurrebutt die ausführliche Erklärung des Spielzeuges, dazu mit Verweisen und Rückverweisen: Bruusekatte, Dullkatte, Schnurrkatte und Spinnewiewken 2.

c. Nicht nur sinnverwandte Wörter im engeren Sinn, sondern weitere in den jeweiligen Sachzusammenhang gehörende Wörter werden auf diese Weise sachlich „vernetzt”; z.B. finden sich bei büüken ‘die große Wäsche waschen’ die Verweise auf bütten ‘laugen, einweichen’, auf groote Wöske, Holt-aske ‘Holzasche’ (wurde als Waschmittel benutzt) und suddewasken ‘vorwaschen’ (am ersten Waschtag), jeweils mit Rückverweisen auf büüken. In ähnlicher Weise stehen bei Panne, am Ende des zweiten Bedeutungsabschnittes ‘Dachziegel’, Verweise auf die mundartlichen Benennungen der einzelnen Bestandteile des Dachziegels: Bladd, Hacke 3, Krempe, Nösse, Öwwerdecker.

d. Unabhängig von einer sachlichen Erklärung und damit einer Raumersparnis werden Bestandteile eines Wortfeldes, so weit es möglich ist, durch Verweise miteinander verbunden. Auch in diesen Fällen bildet ein Wörterbuchartikel den Schwerpunkt, unter dem die bedeutungsnahen Wörter angeführt werden und auf den sie verweisen. So werden unter Tweern die mundartlichen Wörter für ‘Zwirn’ genannt: Flass-, Hand-, Ieser-, Käärtkes-, Sternkesgaorn21, unter Schnuuwräägen die Wörter für ‘Nieselregen’: Fissel-, Luuse-, Mott-, Schmuddelräägen, Müggenpisse, Mutt, Nordenstoff, unter musseln 1 zahlreiche mundartliche Entsprechungen für ‘vor sich hin basteln, tüfteln’.

e. Verweise auf Gegensätzliches sind mit dem Zusatz „im Ggs. zu” versehen, z.B. bei Ploogkaore zweirädrige Karre für den Transport des Eisenpfluges (im Ggs. zu Schloffen 2 für den Bockpflug) oder bei Plattfuuge voll ausgefüllte, mit dem Stein bündige Fuge im Ggs. zu Schniefuuge.

f. Vereinzelt wird auf Wörter gleicher Wortbildung (Ääksterpott 2 Esselpott; ääksterbunt kaater-, kräienbunt) oder gleicher etymologischer Herkunft (ver-asten Ast 2; verspaakt spaakig) verwiesen, dies jedoch nicht syatematisch und zumeist unter semantischem Aspekt.

g. Mundarttexte unterschiedlicher Art, vor allem Phraseologismen, die zur Synonymenbildung neigen, werden ebenfalls durch Verweise verbunden (dann i.a. innerhalb der Klammer). Beispiele:

Die brauchtümliche Formel den Schleew öwwergewwen (die Braut an den Herd führen und ihr die Herrschaft in der Küche übergeben) wird „vernetzt” mit sinngleichen Wendungen unter Heerd, inhaalen, inleeden und Kockepott. Die an die Situation gebundene Floskel Wi bööt’t (stockt) hier nich föör de Gaanse (wenn jd. die Tür nicht zumacht) wird verbunden mit den auf die gleiche Situation referierenden Stereotypen unter Haaken, Klinke, Pannekooken, Sack, Sommer und Telt (Häbb ih Pannekooke vöör de Dööre? Büs in’t Telt geboorn? usw.). Eine phraseologische Wortgruppe wie Den Nijlaot is dr’af (‘Der Reiz des Neuen ist davon’) hat neun parallele, sehr ähnliche Wendungen neben sich, auf die verwiesen wird. Der Phraseologismus „alles über einen Kamm scheren” wird unter Kaom 1 (öwwer eenen Kaom scheern) zusammengefügt mit den unter Knolle, Leesten und Schapp stehenden Entsprechungen: met de Knollen in eenen Pott doon, öwwer eenen Leesten schlaon, in eenen Schapp doon met.

h. Die unterschiedlichen oben genannten Verweise stehen am Ende eines Bedeutungskomplexes in alphabetischer Reihenfolge nebeneinander, also z.B. Verweise, die sich auf ein Mundartzitat an anderer Stelle beziehen (vgl. a) und die einen sachlich-semantischen Zusammenhang herstellen, etwa bei Wippstatt ein Verweis auf achter-uut, wo das Wort in einem Textbeleg vorkommt, sodann auf die gleichbedeutenden Wörter Boumann 2, Boumesterken, Koh-heerdeken, Ploogdriewer, Quickstatt.

i. Bei Phraseologismen und Sprichwörtern werden Varianten auch in Klammern angeführt; es finden sich ebenfalls Verweise, z.B. bei Näägel: Soss doch dat heele Spill an’n Näägel (Haaken) hangen (bei Haaken ein Verweis auf Näägel); bei Strunt : Bowwen bunt, under Strunt, dazu die Variante (Van vöörne bunt, van achtern Strunt) sowie ein Verweis auf mooi: Bomm mooi, unnen fui und auf Puuder: Puuder in de Haore un Lüüse in de Plodden.

 

4. Matrialgrundlage und Bearbeitung des Wörterbuches

 

4.1. Quellenbasis

 

4.1.1.Mündliche Quellen

Der weitaus größte Teil des Materials für das Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart stammt aus „mündlichen Quellen”, aus der „direkten” Sprachdatenerhebung mit Hilfe von Mundartsprechern22; die schriftlichen Quellen nehmen als Materialbasis eine vergleichsweise untergeordnete Rolle ein. Vgl. dazu den Beitrag von Wilhelm Elling auf S. 53 ff.

Einen sehr wesentlichen Beitrag zur Materialsammlung für das Wörterbuch leisteten die Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft Mundart und Wörterbuch”. Etwa 30 Mundartsprecher aus 13 Orten des Westmünsterlandes trafen sich von 1984-87 einmal im Monat, später in größeren Abständen zu einer Gesprächsrunde. Das Thema wurde zuvor bekanntgegeben. Die Teilnehmer hatten sich zumeist gut vorbereitet; das mundartliche Wortmaterial wurde während der Sitzungen aufgeschrieben. Themen dieser Runden waren zum Beispiel: Brauchtümliches zu Festen des Jahres (Fastnacht, „Palmsingen”, Ostern, Pfingsten, Neujahr), Hochzeits-, Tauf- oder Totenbrauchtum, ebenso Nachbarschaftsfeste, Kartenspiel, Kinderfeste, Kinderspiele, ferner Themen zum alltäglichen Leben und Wirtschaften der ländlichen Bevölkerung (Wohnung, Kleidung, große Wäsche, Vorratshaltung, Nahrungszubereitung, darunter z.B. Brotbacken, Buttern, Bierbrauen, Schlachten und Wursten), Krankheiten bei Mensch und Tier, dazu Heilmethoden, Hausmittel, Kräuter. Aus dem biologischen Bereich wurden vor allem Nutzpflanzen, Obstsorten, Garten- und Wildpflanzen, Kleintiere wie Insekten (dazu Imkerei), Schädlinge und ihre Bekämpfung sowie Vögel oder Flußfische (zusammen mit Angeln und Fischerei) ausführlich behandelt.

Auch außerhalb dieser Sitzungen standen mir die Gewährsleute der Arbeitsgemeinschaft für ausführliche Befragungen, Klärung zahlreicher Detailfragen zum westmünsterländischen Wortschatz und zur Überprüfung des gesamten Wörterbuchmanuskriptes immer wieder gern zur Verfügung. Oft brachten sie zu den Sitzungen außer den bearbeiteten Fragelisten (s. 4.1.2.) reiches an ihrem Ort gesammeltes Wortmaterial mit, das gemeinsam besprochen werden konnte.

Die letzte Sitzung der Arbeitsgemeinschaft fand am 16. Januar 1991 statt.

 

4.1.2. Fragebögen und Fragelisten

Das mündlich gesammelte Wortmaterial wurde durch unterschiedliche Fragebögen und Fragelisten vervollständigt.

a. Der Grundstock der Sammlung für das Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart war zunächst sach- und volkskundlich orientiert; es fehlten darin weitgehend alle den Menschen und seine Eigenschaften, Verhaltensweisen usw. betreffenden Wortfelder. Um diese Lücke in der Wortschatzsammlung zu schließen, habe ich – in Anlehnung an den „Wehrle-Eggers”23, ein systematisches Wörterbuch des Deutschen – wiederholt Fragebögen an die Mundartsprecher verteilt zu Themenkreisen wie (körperliche, charakterliche, geistige) Eigenschaften des Menschen, zwischenmenschliche Beziehungen, menschliche Handlungs- und Verhaltensweisen, die Beziehung des Menschen zum Geld, zu Glauben und Religion, zum Leben und Sterben und vieles mehr. Diese Fragebögen mit hochdeutscher Vorgabe wurden von den Mitarbeitern der „Arbeitsgemeinschaft Mundart und Wörterbuch” sorgfältig ausgefüllt. Es zeigte sich, daß diese „anthropozentrierten” Themen neben einzelnen Wörtern vor allem Phraseologismen zutage förderten.24

b. Neben diesen von der Bedeutung ausgehenden Fragestellungen erwies es sich als notwendig, gezielt auch nach einzelnen Wörtern, deren genauen Bedeutungen oder Lautungen zu fragen. So bekamen die Gewährspersonen ebenfalls ständig Listen mit „fraglichen Wörtern” ausgehändigt, die sie gewissenhaft begutachteten. Vgl. dazu auch 4.2.3.

c. Weitere Sprachdatenerhebungen anhand von Fragelisten betrafen lautgeographische Einzelheiten (als Materialbasis für die „Binnengliederung” des Bearbeitungsgebietes, vgl. 1.2.), grammatische Angaben wie die Stammformen der Verben (vgl. 3.3.1.) oder wortgeographische Untersuchungen.25 Zugleich konnten alle in den Fragebögen und -listen enthaltenen „Problemfälle” zu jeder Zeit durch mündliche Rückfragen bei den Gewährsleuten geklärt werden.

 

4.1.3. Schriftliche Quellen

Von den schriftlichen Quellen, die ich für das Wörterbuch ausgewertet habe, sind zunächst mehrere ungedruckte Wörtersammlungen zu nennen: die Wörterlisten von Bernhard Eing aus Gescher (1866-1934), das Wörterverzeichnis von Johannes Stover aus Gescher (drei um 1930 beschriebene Kladden) sowie weitere laienschriftliche alphabetische Sammlungen aus Stadtlohn, Rhede und Bocholt, ferner Wörtersammlungen unterschiedlicher Art, die die Gewährspersonen immer wieder während der Bearbeitungszeit hereinreichten.

Die schriftlichen gedruckten Quellen, die ich für die Sammlung des Wörterbuches verzettelt habe, sind ebenfalls sehr unterschiedlicher Art: Exzerpiert wurden mundartliche Beiträge verschiedener Zeitungen, Jahrbücher und Zeitschriften26 sowie des heimatkundlichen Schrifttums verschiedener Orte des Bearbeitungsgebietes, seien es Heimatbücher, Heimatkalender oder Festschriften von Schützenvereinen oder dergleichen.

Ebenso wurden literarische, besonders erzählende Mundarttexte aus dem Westmünsterland ausgewertet.27 Doch erwiesen sich sowohl die älteren Wortsammlungen als auch die literarischen Texte oft als unsichere Quellen. Viele Belege mußte ich zusätzlich bei den Mundartsprechern nach Lautung und Bedeutung abfragen.

 

4.2. Bearbeitung des Materials

 

1. Trotz der vorwiegend vom Wortinhalt ausgehenden Sammelmethoden war schon im Vorstadium der Bearbeitung des Wörterbuches entschieden worden, das Material alphabetisch (nicht nach Sachgruppen) anzuordnen. Jedoch erschien es mir von Beginn der Bearbeitung an als sinnvoll, wortfeldbezogene, systemhafte Zusammenhänge durch die alphabetische Anordnung nicht gänzlich zu trennen, sondern durch Verweise im Wörterbuch zu bewahren.

2. Der erste Schritt der Aufbereitung des gesammelten Materials für das geplante Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart bestand in der Segmentierung und Lemmatisierung der oft von den Sammlern laienhaft aufgezeichneten (z.T. falsch segmentierten) Mundarttexte. Ich habe jeweils einen Zettel pro Wort und Mundartzitat angelegt. Vgl. dazu das Beispiel Schmitt (S. 61), das bei der mündlichen Sprachdatenerhebung als „ein” Wort aufgefaßt wurde, lexikographisch jedoch in drei Lemmata (Schmitt 1 m., Schmitt 2 m. und Schmitt n.) zu unterteilen war. Die Lemmatisierung erfolgte nach einer für das gesamte Bearbeitungsgebiet einheitlichen Schreibweise (vgl. 2.); anschließend wurden die Belegzettel alphabetisch sortiert.

3. Durch die vielfältigen Sammel- und Fragemethoden sowie Verzettelungsarbeiten war das Material in kurzer Zeit sprunghaft angewachsen, von den anfänglich zwei auf letztlich 42 Karteikästen mit mehreren Hunderttausend Belegzetteln. Das Wortmaterial dieser Karteien habe ich in alphabetischen Listen jeweils mit knapper Bedeutungsangabe zusammengefaßt. Die Mitarbeiter der „Arbeitsgemeinschaft Mundart und Wörterbuch” erhielten bei den Sitzungen regelmäßig Teile dieser Wortlisten (insgesamt 1259 Schreibmaschinenseiten), die sie jeweils für ihren Ort, zumeist im Kreise von Nachbarn und Freunden, sehr gründlich bearbeiteten.

Zum einen wurde das gesammelte Material dadurch noch einmal ergänzt: Hinzu kamen nicht nur Wörter des alphabetischen Umfeldes wie Zusammensetzungen, sondern auch bedeutungsähnliche Wörter oder gleichbedeutende Wörter dort, wo das betreffende vorgegebene Wort nicht bekannt war, dazu weitere Bedeutungsaspekte, auch regionale Sonderbedeutungen, oft sehr präzise Angaben dazu, sowie Textbeispiele und Phraseologismen.

Zum andern habe ich die Angaben der Gewährsleute dialektgeographisch ausgewertet: Für jedes Wort wurden die Orte verzeichnet, in denen es Geltung hat. Auf diesem Arbeitsgang beruhen die Ortsangaben hinter den Stichwörtern (vgl. 3.3.2.).

Angesichts der Mühe, die sich die Mundartkenner mit der Durchsicht der Wortlisten machten, scheint die Gefahr, nur „Echoformen” bekommen zu haben, gering zu sein. Die allerletzten „Nachträge” zu den Wortlisten und „fraglichen Wörtern” (vgl. 4.1.2.b.) habe ich noch im Januar 1991 bearbeitet.

4. Lange bevor die Erfassung des westmünsterländischen Wortschatzes in den alphabetischen Listen abgeschlossen war, konnte ich bereits mit dem Verfassen der Wörterbuchartikel beginnen, und zwar an jenen „Wortstrecken”, für die der Rücklauf der alphabetischen Listen und ihre Auswertung bereits erfolgt war. Zuvor galt es, die Richtlinien zur Anordnung des Wörterbuchmaterials und zur Artikelgestaltung zu erarbeiten (vgl. 3.). Seither liefen die hier genannten Arbeitsgänge zeitlich weitgehend nebeneinander her. Die fertigen Wörterbuchartikel wurden mit dem PC abgespeichert, jedoch noch immer wieder verändert und ergänzt.

5. Vom Beginn der Artikelgestaltung an legte ich eine umfangreiche „Synonymenkartei” an, in der Wörter und Phraseologismen des gleichen sachlichen Zusammenhanges oder Wortfeldes jeweils möglichst unter einem „synonymischen Zentrum” zusammengefaßt wurden. Auf diesem Arbeitsgang beruht das Verweissystem in den Wörterbuchartikeln (vgl. 3.4.).

6. In gleicher Weise habe ich nach den jeweils fertigen „Wortstrecken” die Kartei der Komposita (Grundwörter mit ihren Bestimmungswörtern) angelegt, die sich im Wörterbuch unter „Zs.:” (vgl. 3.3.6.) wiederfinden.

7. Die verfaßten Wörterbuchartikel wurden in mehrfacher Weise auf ihre Richtigkeit hin überprüft. Sie wurden zunächst – in Form von Manuskriptkarteien – noch einmal mit Mundartsprechern in Einzelbefragungen durchgesprochen; auch dabei ergaben sich immer wieder Ergänzungen und Verbesserungen. Zwei Mundartsprecherinnen unterzogen sich der mühevollen Arbeit, fast das gesamte Wörterbuch in Form des Computerausdruckes zu lesen und zu korrigieren.

8. Sammeltätigkeit, Überarbeitung der etwa 40.000 Wörterbuchartikel und Ergänzungen wurden noch bis kurz vor Fertigstellung des Wörterbuches (Juni 1991) fortgesetzt und ließen sich auch jetzt noch fortführen. Doch mußte ein Abschluß gefunden werden. Insgesamt habe ich versucht, aufgrund einer gesicherten Quellenbasis und vielschichtigen Aufbereitung des Materials dem Wortschatz der westmünsterländischen Mundart ein würdiges Denkmal zu setzen.

______________

1 Ludger Kremer: Mundartforschung im ostniederländisch-westfälischen Grenzgebiet. Eine Bestandsaufnahme (1900-1975), Amsterdam 1977; ders.: Die westmünsterländische Sprachlandschaft. In: Studien zur Sprache und Geschichte des Westmünsterlandes. Vreden 1977, S. 7-26; ders.: Sprache und Geschichte im westfälisch-niederländischen Grenzraum. Ein Abriß der sprach- und kulturhistorischen Wechselbeziehungen. Vreden 1978; ders.: Grenzmundarten und Mundartgrenzen. Untersuchungen zur wortgeographischen Funktion der Staatgrenze im ostniederländisch-westfälischen Grenzgebiet, 2 Bde., Köln, Wien 1979; ders.: Mundart im Westmünsterland. Aufbau – Gebrauch – Literatur, Borken 1983; Ferdinand Herdemann: Versuch einer Lautlehre der westmünsterländischen Mundart. Diss. (hs.), Münster 1921; William Foerste: Das Münsterländische. In: Niederdt. Wort 3 (1963), S. 29-36; Gunter Müller, Hermann Niebaum: Sprachliche Gliederung und Schichtung Westfalens. In: Der Raum Westfalen Bd. VI, 1, Münster 1989, S. 1-92.

2 Kremer 1983 (Anm. 1) S. 29 Karte 5.

3 ebd. S. 21ff.; Hermann Niebaum: Zur niedersächsisch-niederfränkischen Dialektscheide. In: Niederdt. Wort 11 (1971), S. 45-60.

4 Kremer 1983 (Anm. 1) S. 30.

5 Kremer 1983 (Anm. 1) S. 77-106; Dieter Stellmacher: Wer spricht Platt? Zur Lage des Niederdeutschen heute. Eine kurzgefaßte Bestandsaufnahme, Leer 1987.

6 William Foerste: Der wortgeographische Aufbau des Westfälischen. In: Der Raum Westfalen IV, 1, Münster 1958, S. 1-117, bes. 110-112.

7 Die Schreibweise wurde bereits vor Beginn der Bearbeitung des Wörterbuches festgelegt. Sie gleicht im wesentlichen der in der Vredener Flurnamensammlung angewandten Schreibweise, vgl.: Elisabeth Piirainen: Flurnamen in Vreden, 2 Bde., Vreden 1984; dies.: Zur Schreibweise des Plattdeutschen, in: Bessmooders Tied. Ein Mundart-Lesebuch für das Westmünsterland, zusammengestellt von Wilhelm Elling, Vreden 1987, S. 277-280. Diese zunächst für die Vredener Mundart entworfene Schreibweise wurde leicht abgewandelt auch auf die anderen Ortsdialekte des südlicheren Bearbeitungsgebietes angewandt. Für wertvolle Ratschläge, z.B. die „Kleinwörter“ aus dem übrigen Schreibsystem herauszunehmen, bin ich Herrn Prof. Dr. Ludger Kremer zu Dank verpflichtet.

8 Für die sprachgeschichtliche Entwicklung vom mnd. zum westmünsterländischen Vokalismus sei verwiesen auf die Lauttabellen zum Westfälischen Wörterbuch, Beiband, Neumünster 1969: S. 69 (Wessum, Vreden, Südlohn), S. 98 (Gescher) und S. 80 (Bocholt, Rhede, Borken, Ramsdorf).

9 Die Schreibung mit mehr als zwei Konsonanten ist konsequent, z.B. bei nümms aus nümmes, butts als Nebenform zu butt usw.

10 Die hd. Orthographie ist oft inkonsequent (vgl. Hand – behende). In solchen Fällen wurde für das Westmünsterländische eine einheitliche Form gewählt, z.B. händig oder klämmen zu Klammer. Auch bei der Kontamination von roman. und germ. Wortelementen wurde versucht, eine einheitliche Linie zu finden, z.B. Blässe ‘weißer Stirnfleck’ zu blass, Blässhohn ‘Bläßhuhn’, jedoch Bless-appel ‘Apfelsorte Noblesse’ usw.

11 Die Kennzeichnung des Langvokals gilt – im Unterschied zur Schreibung des Niederländischen – für geschlossene und offene Silben gleichermaßen: Nur so wird alphabetisch Zusammengehöriges nicht getrennt, steht z.B. maaken (statt maken) in unmittelbarer Nähe von maakbaor und Maaksáchte. Vgl. Anm. 14.

12 Den hat im Westmünsterländischen ein kurzes e, wie in en, met, anders als in hd. den (dessen Schreibung nicht konsequent ist).

13 Der Unterschied zwischen betontem de mit langem ē (De was et!) und unbetontem de mit „Murmelvokal“ (De Löö säggt) wird in der Schreibung des Wörterbuches nicht wiedergegeben. Vgl. Anm. 17.

14 Die Schreibweise des Auslautes nach dem Wortstamm ist ebenso wie die Vokalverdoppelung (vgl. Anm. 11) für das Wörterbuch wichtig, um die alphabetische Aufeinanderfolge nicht zu unterbrechen, so daß z.B. die Komposita mit Driew- (nicht Drief-) in der Nähe von driewen aufgeführt werden.

15 Auch für die Schreibung der flektierten Formen wurde ein in sich konsequentes Prinzip entworfen, z.B. die 3. Pers. Sg. Präs. he redd, het lett (zu redden, letten); he tredd, he ett (zu trääden, ääten) (mit e nach hd. treten, essen, vgl. 2.1.).

16 In Zweifelsfällen bei der Segmentierung werden zwei Formative nicht als Zusammensetzung oder Präfixbildung angesehen, z.B. bei an mit Verben der Bewegung in Sätzen wie Daor kommt se an loopen (statt anloopen): Es erspart eine Reihe von Lemmaansätzen mit an-. Das gleiche gilt für terechte in der syntaktischen Verbindung mit sik wat, z.B. sik wat terechte prüttken (statt terechteprüttken), was ebenfalls viele Stichwörter einspart. Zweifelsfälle begegnen ferner bei Postpositionen und nachgestellten Adverbien, z.B. Se konn de Hohner nich in’t Schott in kriegen (statt inkriegen); Daor sall noch wall Tied öwwer hen gaon (statt hengaon); De häbbt se vöör’n Dood wegg haalt (statt wegghaalt). Oft ist das Wort de, daor ein Kriterium dafür, ob ein Wort als eigenständiges Adverb und nicht als Präfix des Verbs aufzufassen ist, z.B. He häff de wat van met kreggen (statt metkreggen).

17 Die Prosodie kann in den Beispielsätzen nicht notiert werden (vgl. Anm. 13). In einigen Fällen kann die Markierung der Wortart durch Zusammen- oder Getrenntschreibung dieses Manko ersetzen, z.B. in der Wendung Eeken Holt, dat brennt stolt. Der Akzent liegt auf Holt, daher wird eeken als Adj., nicht als Bestimmungswort von Eekenholt aufgefaßt. Das gleiche findet sich z.B. bei Kläine Löö häbbt kläin Geräi (Akzent auf Geräi, daher nicht zu Kläingeräi), im Ggs. dazu z.B. Veerkant-ieser mit Anfangsbetonung, daher nicht: veerkant Ieser usw.

18 Blumen- und andere Pflanzennamen werden mit der entsprechenden geläufigen hd. Bezeichnung wiedergegeben. Oft steht ein mundartliches Wort für mehrere (ähnliche) Pflanzen; eine lateinisch-botanische Kennzeichnung kann diesem Sachverhalt nicht gerecht werden.

19 Diese Notation der Belegorte gibt also in erster Linie Aufschluß über die dialektgeographische Verbreitung des Wortes. In einigen Fällen mag sich darin – wenn z.B. ein Sachverhalt und dessen mundartlicher Wortschatz nur noch wenigen Personen bekannt ist – die Sach- und Dialektkenntnis einzelner Gewährsleute widerspiegeln.

20 Überschneidungen, z.B. zwei Meldungen für die Orte Rae und Rh, sind möglich; auch müssen nicht alle Orte vertreten sein, vgl. den Verweis auf Blaubääse.

21 Komposita mit dem gleichen Grundwort werden auf diese Weise bei den Verweisen zusammengefaßt.

22 Vgl. dazu die Arbeitsberichte: Elisabeth Piirainen: Westmünsterländisches Wörterbuch. In: Unsere Heimat. Jahrbuch des Kreises Borken 1985, S. 187-190; dies.: Das Wörterbuch der Westmünsterländischen Mundart – Ein Arbeitsbericht. In: Jahrbuch der Augustin Wibbelt-Gesellschaft 3, 1987, S. 78-85; dies.: Wörterbuch für das „Sandplatt“. In: Jahrbuch Westfalen ’88, S. 119-122.

23 Wehrle-Eggers: Deutscher Wortschatz. Ein Wegweiser zum treffenden Ausdruck. Bd. 1 Systematischer Teil, Stuttgart 1961.

24 Aufgrund des durch die Fragebögen gesammelten Materials entstanden folgende Arbeiten zur Phraseologie des Westmünsterländischen: Elisabeth Piirainen, Wilhelm Elling: ‘Sterben’ und ‘Tod’ in der Mundart des Westmünsterlandes. In: Der letzte Gang. Totenbrauchtum Westmünsterland – Oost-Nederland, Borken 1988, S. 126-157; Elisabeth Piirainen: Zur Phraseologie des Niederdeutschen. Überlegungen zu einer kontrastiven Darstellung von Hochsprache und Mundart (am Beispiel des Westmünsterländischen). In: Akten des VIII. Kongresses der Internationalen Vereinigung für Germanische Sprach- und Literaturwissenschaft, Bd. 4, München 1991, S. 370-379; dies.: Phraseologismen im Westmünsterländischen. Einige Charakteristika der westmünsterländischen Phraseologie (im Vergleich zum Hochdeutschen). In: Niederdt. Wort 31 (1991) (S. 33-76).

25 Zur wortgeographischen Erfassung und Darstellung des Materials, wie der Verteilung von Heteronymen (die gleiche Sache benennenden Wörtern) über das Beleggebiet, wurde in den meisten Fällen zurückgegriffen auf Ludger Kremer: Grenzmundarten und Mundartgrenzen, 1979 (vgl. Anm. 1); einzelne „Kernwörter“ des Dialektraumes wie ‘Mittwoch’, ‘Gans’, ‘Türschwelle’, ‘Leiter’ u.a. wurden für das kleinere Bearbeitungsgebiet neu abgefragt.

26 Z.B. „Aus alter Zeit“ (Ahaus 1903-1912), „Münsterland“ (1918-1922), „Unsere Heimat“ (Jahrbuch des Kreises Borken), „Unser Bocholt“ (hg. vom Verein für Heimatpflege in Bocholt), „Dat Rheeße Blädeken“ (hg. vom Heimatverein Rhede), „Vredener Anzeiger“ u.a.m.

27 Z.B. Texte von Liesken Brinkmann (Heiden), Hugo von Oy (Borken), Manes Schlatt (Bocholt), Agnes Kleingries (Vreden), Anton Terhürne-Jösner (Vreden-Wennewick), die hier stellvertretend für weitere Autoren genannt seien. Es würde über den Rahmen dieser Einführung hinausgehen, alle für das Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart durchgesehenen und ausgewerteten Mundarttexte an dieser Stelle bibliographisch aufzulisten, seien es die zahlreichen in Tageszeitungen und Zeitschriften (Vgl. Anm. 26) verstreuten Artikel, seien es Theaterstücke in westmünsterländischer Mundart (z.B. „Den Wäwedamp“ von Johannes Ostendorf) oder auch Beiträge zu Brauchtum und Volkskunde (z.B. Theodor Döring: 70 Jahre Bauernleben im Borkener Land, Borken 1980). Eine Übersicht über die Mundartliteratur des Westmünsterlandes findet sich bei Ludger Kremer: Mundart im Westmünsterland, 1983 (vgl. Anm. 1) S. 135-153.

 

Die im Inhaltsverzeichnis angegebenen Verzeichnisse der Abkürzungen und der Ortssiglen wurden dem Wörterbuch der westmünsterländischen Mundart vorangestellt.

 

Fachwörter, kurz erklärt

Adjektiv Eigenschaftswort
Adverb Umstandswort
Allophon lautliche Variante eines Phonems, die nicht bedeutungsverändernd ist
appelativisch als Begriffswort (nicht als Eigenname) verwendet
Artikel Geschlechtswort
Assimilation Angleichung von Lauten
dialekt-geographisch die geographische Verbreitung von mundartlichen Sprachformen betreffend
Diminutiv Verkleinerungsform
Diphthong aus zwei Selbstlauten bestehender Laut, Doppellaut
Diphthongierung Umwandlung eines einfachen Selbstlautes zum Doppellaut
elliptisch unvollständig, etwas auslassend
ethymologisch die Herkunft, Grundbedeutung und Verwandtschaft von Wörtern betreffend
feminin weiblich
flektieren (ein Wort) beugen
Genus grammatisches Geschlecht
Hiat Zusammentreffen zweier Selbstlaute am Wort- oder Silbenrand
Infinitiv Grundform des Verbs
intervokalisch zwischen zwei Selbstlauten stehend
Isoglosse Linie, die auf Sprachkarten Gebiete mit gleichen mundartlichen Erscheinungen geographisch umschließt und von anderen Gebieten abgrenzt
Kompositum zusammengesetztes Wort, Wortzusammensetzung
Konsonant Mitlaut
Konsonantismus Gesamtheit der in einer Sprache vorhandenen Mitlaute
Kontamination Vermengung oder Kreuzung von Wörtern
Lemma Stichwort
Lexik Wortschatz, Wortbestand
lexikalisch den Wortschatz betreffend
lexikographisch das Verfassen eines Wörterbuches betreffend
lexikologisch die Erforschung des Wortschatzes betreffend
Ligatur Buchstabenverbindung
maskulin männlich
metaphorisch übertragen, bildlich
Morphem kleinste bedeutungs­tragende Einheit der Sprache
morphologisch die Formenlehre betreffend
Murmelvokal Mittelzungenvokal in unbetonter Stellung
Nasalierung Aussprache eines Lautes, bei der die Luft (z.T.) durch die Nase entweicht
neutrum sächlich
Nominalgruppe Wortgruppe, in der ein Hauptwort enthalten ist
Paraphrase umschreibender Ausdruck
Partizip Mittelwort
Perfekt vollendete Gegenwart (Zeitform des Verbs)
Personalpronomen persönliches Fürwort
Phonem zum Lautsystem gehöriger Laut (bedeutungsverändernd im Unterschied zum Allophon)
phonetisch lautlich; die Erforschung der Laute einer Sprache betreffend
Phraseologie 1. Gesamtheit der Redensarten, Rede­wendungen und festen Fügungen einer Sprache. 2. Erforschung der Redensarten, Redewendungen und festen Fügungen
phraseologisch

gebundenes Formativ,

Wortelement, das nicht frei, sondern nur in einer festen Fügung vorkommt
Phraseologismus Redensart, Redewendung, feste Fügung, (deren Bedeutung sich zumeist nicht aus den Bedeutungen der einzelnen Komponenten ergibt)
Plural Mehrzahl
Polysemie Mehrdeutigkeit eines Wortes
postdorsal zu den Gaumen und Kehllauten (g, k, ch) gehörend
Postposition Nachstellung (z.B. eines Verhältniswortes
Präfigierung Anfügen einer Vorsilbe an ein Wort
Präfix Vorsilbe
Präposition Verhältniswort
Präsens Gegenwart (Zeitform des Verbs)
Präteritum Vergangenheit (Zeitform des Verbs)
prävokalisch vor einem Selbstlaut stehend
Prosodie Betonung, Intonation u.a. bei größeren sprachlichen Einheiten als einem einzelnen Wort
reflex rückbezüglich
Reflexivpronomen rückbezügliches Fürwort
Reliktlage Lage, in der sich ältere sprachliche Erscheinungen erhalten haben
Rundung Aussprache eines Lautes mit gerundeten Lippen
Segmentierung Zerlegung eines Wortes oder Textes in aufeinanderfolgende Teilabschnitte
semantisch die Bedeutung betreffend
Simplex einfaches, nicht zusammengesetztes Wort
Singular Einzahl
Spirant Reibelaut
Substantiv Hauptwort
Substantivierung Umwandlung eines Wortes in ein Hauptwort
Suffix Nachsilbe
Synonyme Wörter, die sich (weitgehend) in ihrer Bedeutung entsprechen
synonymisch die gleiche oder ähnliche Bedeutung betreffend
syntaktisch zum Satzbau gehörend
Syntax Satzbau
unorganisch nicht der gesetzmäßigen Entwicklung entsprechend
Verb Zeitwort
Vokal Selbstlaut
Vokalisierung Umwandlung eines Lautes zum Selbstlaut
Vokalismus Gesamtheit der Selbstlaute einer Sprache